Destineer Studios: Peter Tamte

von Gero Pflüger, 18. September 2006 Peter Tamte (gesprochen „Tämtie“) ist eine Legende in der Macintosh-Spieleindustrie. Er ist Mitgründer von MacSoft und von Bungie, wechselte, als Bungie von Microsoft aufgekauft wurde, eben dorthin, um sein Projekt „Halo“ zu Ende zu führen, um danach das Weite zu suchen und mit den Destineer Studios als Phönix aus der Asche aufzuerstehen und seine alte Gründung MacSoft aus unfähigen Händen aufzukaufen und ihm neues Leben einzuhauchen. Natürlich erschien „sein“ Halo auf dem Macintosh. Dafür hat er gesorgt. Peter Tamte ist mit jeder Faser seines Körpers Mac-User. Wer verstehen will, wie dieser Mann gleich drei der wichtigsten Mac-Spielefirmen hat gründen können, muss ihn erleben: Er sprüht förmlich vor Energie.

Nun kam er nach Deutschland, um das neueste MacSoft-Produkt in einer frühen, aber recht stabilen Beta vorzustellen: „Age of Empires III„. Das Spiel gibt es in Deutschland seit Ende 2005 für die Windows-Plattform, und es setzt auf die für den Macintosh nicht verfügbare Physik-Engine „Havok“. Kurzerhand ersetzte das MacSoft-Entwicklungsteam (bestehend aus Ken Cobb und Phil Sulak) die komplette Havok-Engine durch die ebenso machtvolle „Ageia“-Engine. So avancierte „Age of Empires III“ zum komplexesten Spiel, das Portierungs-Urgestein Phil Sulak in seiner 15jährigen Karriere jemals bearbeitet hat.

Der Vorgänger von AoE3 ist einer der zwei erfolgreichsten Titel, die MacSoft in seiner wechselvollen Geschichte jemals herausgebracht hat – und da die Windows-Version des dritten Teils deutlich erfolgreicher ist als der zweite Teil, steht zu erwarten, dass gleiches auch auf dem Macintosh zutreffen wird. AoE3 beginnt dort, wo AoE2 aufgehört hat: mit dem Zeitalter der Entdeckungen. Jede Menge neuer Features sorgen dafür, dass das Spiel unfassbar gut aussieht und sich unfassbar gut spielen lässt. Einige kurze Sequenzen, die Peter Tamte anspielte, ließen die Zuseher Bauklötze staunen: automatische Formationen, intelligente Schlachten, vor allem aber die großartig anzuschauende Grafik und die ebnfalls tolle Physik. Wie nebenbei bemerkte Tamte, dass es einen Szenario-Editor im Spiel gibt, der Windows-kompatible Dateien schafft – dem Crossplatform-Austausch über das Internet sind so keine Grenzen gesetzt. Allerdings wird das Multiplayer-Spiel vorläufig nicht zwischen Mac und Windows funktionieren – dies soll nach Überwindung einiger technischer Hürden mit einem Patch nachgereicht werden.

„Age of Empires III“ verkauft sich seit seinem Erscheinen auf der Windows-Plattform Ende 2005 ungeheuer gut. Auch fast ein Jahr nach Erscheinen auf dem US-Markt ist es dort noch immer unter den Top 10 – neue Spieler kommen also quasi täglich dazu.

Wir hatten im Rahmen der Vorstellung des Spiels in den Räumlichkeiten von ASH in Heidelberg die Möglichkeit, Peter Tamte für uns allein zu beanspruchen und ein Interview zu Age of Empires III und vielen weiteren Dingen zu führen. Das Audiofile des englischen Interviews ist knapp 40 MB groß und kann mitsamt der ganzen „Ähs“ und „Öhs“ des Interviewers hier heruntergeladen werden.

Hallo Peter!
Hi Gero!

Unsere Leser haben eine Menge Fragen zu Age of Empires 3. Zum Beispiel diese: Wie lange hat die Entwicklung des Spiels vom ersten Gedanken daran bis jetzt gedauert?
Vom ersten Gedanken daran bis jetzt – nun, wir haben den Vertrag unterzeichnet, bevor das Spiel für den PC ausgeliefert wurde. Mit der Entwicklung haben wir Anfang 2006 begonnen, allerdings mussten wir das Team von der Entwicklung von Age of Empires 3 abziehen, damit es die Universal Binary für Halo machen konnte, und das hat alles etwas verzögert. Wir hatten gehofft, Age of Empires 3 vor ein, zwei Monaten verfügbar zu haben, aber die Arbeit an Halo hat alles etwas verzögert.

Wann wird es denn vermutlich ausgeliefert werden?
Wahrscheinlich werden wir es auf englisch Ende Oktober ausliefern, und auf deutsch entweder Ende Oktober oder in der ersten Novemberwoche.

Welche technischen Hürden mussten Sie während der Entwicklung des Spiels meistern?
Ich glaube, die größten Herausforderungen lagen in der Grafik des Produkts.

Zum Beispiel bei OpenGL?
Bei OpenGL sind die Hardware-Fähigkeiten gefragt. Age of Empires 3 ist ein grafisch sehr anspruchsvolles Spiel. Tatsächlich vergleicht das Team, das es für den PC entwickelt hat – Ensemble Studios -, die Grafikfähigkeiten mit denen der am weitesten entwickelten 3D-Shootern, die es derzeit gibt. Es gibt sehr reichhaltige Schatteneffekte, eine Menge Shader, viele Partikeleffekte – viele der richtigen High-End-Grafikeffekte, die das Spiel absolut schön aussehen lassen. Dies alles vor allem schnell zu machen, ist natürlich eine Herausforderung auf jeder Plattform. Das Entwicklungsteam hat sehr viel Zeit damit verbracht, die Grafikeffekte auf einem Macintosh lauffähig zu machen und in hoher Geschwindigkeit laufen zu lassen, ohne dass ein zu großer Computer erforderlich wäre.

Hat Apple Sie bei dieser Arbeit unterstützt?
Ja, na klar. Wir arbeiten mit Apples Ingenieuren in etlichen Ebenen zusammen. Angefangen bei simplen Sachen wie Beratungen über die Optimierung des Codes bis hin dazu, dass wir von ihnen lernen, wenn neue Fähigkeiten in OpenGL eingeführt werden, so dass wir wissen, was wir selbst zu schreiben haben und was Apple über das Upgrade-System bereit stellt.

Während Sie das Spiel für den Macintosh entwickelt haben, haben Sie sich dafür entschieden, die Havok-Physikengine durch die Ageia-Engine zu ersetzen. War das eine einfache Aufgabe?
Nun, was wir zu diesem Zeitpunkt machen mussten, war tatsächlich, dass wir Ageias Physik-Technologie auf den Macintosh portieren mussten. Das mussten wir mit der Windows-Version machen. So gab es einige Herausforderungen beim Konvertieren dieser Technologie, die eine sehr tief greifende, hardwarenahe Art von Technologie ist. Diese Physik ist einfach absolut unglaublich; sie ist sehr, sehr schnell, optimiert, und damit unsere Leute diese Technik auf den Macintosh bringen konnten, mussten wir natürlich eine bestimmte Zeit daran arbeiten, um die Technologie sehr gut auf dem Mac zum Laufen zu bringen.

Jetzt haben Sie das einmal gemacht – können Sie das mit einem anderen Spiel auch machen?
Ja! Die Art, wie wir die Ageia-Technologie konvertiert haben, versetzt uns in die Lage, auch zukünftige Spiele mit der Ageia-Technologie arbeiten zu lassen. Tatsächlich hat Ageia eine Zusammenarbeit zwischen ihnen und uns bekannt gegeben, wobei wir ihre Physik-Technologie nicht bloß für unsere Macintosh-Titel, sondern auch für unsere Konsolen- und PC-Produkte verwenden werden. Wir haben also eine große Bandbreite, um die Technologie zu verwenden.

Das ist interessant, weil eine große Zahl von Spitzentiteln auf dem PC setzen auf Havok – etwa „Half-Life 2“. Ist es nun möglich, „Half-Life 2“ auf den Mac zu bringen?
Naja, es würde sicherlich technisch möglich sein, „Half-Life 2“ auf den Macintosh zu bringen. Das ist allerdings nichts, mit den wir uns derzeit befassen. Technologisch sehe ich allerdings keinen Grund, weshalb es nicht auf dem Macintosh erscheinen könnte. Allerdings können Sie auf dem PC-Markt beobachten, dass Ageia einen größeren Anteil einnimmt. Ich sage nicht, dass Havok verschwindet. Havok ist eine starke Technologie. Aber Ageia ist in der Lage, nativ von Physikprozessoren zu profitieren, so etwa, wie wenn Sie heute einen Grafikprozessor in Ihren Computer einbauen. In Zukunft wird man Physikprozessoren in Computern finden, und Ageia wird automatisch diesen Prozessor zum Vorteil nutzen. Das ist einer der Gründe, weshalb wir uns unternehmensweit bei Destineer, über alle Konsolen-, PC- und Macintosh-Produkte hinweg, dafür entschieden haben, die Ageia- statt der Havok-Technologie zu benutzen.

Es war also keine Geldfrage bei dieser Entscheidung?
Na, Geld ist Teil einer jeden Entscheidung (lacht), aber ich würde nicht sagen, dass das der einzige Grund war. Ein anderer Grund war, dass wir nicht zu viele verschiedene Typen von Physik-Technologie unterstützen wollten, und die Ageia-Technologie ist nativ verfügbar auf der Playstation, der Xbox 360 und auf dem PC, und so dachten wir, dass es sinnvoll sei, sie auch auf dem Macintosh nutzen zu können.

Blizzard Entertainment hat gerade vor ein paar Tagen die Havok-Engine für seine künftigen Spiele auf der Mac-Plattform lizenziert. Klar, Blizzard hat vermutlich ein größeres Budget als Destineer und Aspyr Media zusammen, aber welchen Effekt kann diese Lizenz auf das Mac-Gaming-Business auf lange Sicht haben?
Theoretisch kann das einen sehr positiven Effekt haben. Was ich nicht weiß ist, ob Blizzard die Konvertierung der Havok-Technologie auf den Macintosh selber macht und ob sie die Technologie für andere Firmen verfügbar machen oder nicht. Wenn sie das täten würde es natürlich viel einfacher sein, andere Produkte, die Havok nutzen, auf den Macintosh zu bringen. Aber wenn sie es nicht verfügbar machen, können wir zurück auf „Los“ gehen, wo die Technologie nicht wirtschaftlich für die Spiele ist, die wir herausbringen wollen.

Gibt es schon finale Systemvoraussetzungen für „Age of Empires 3“?
Ja. Wir denken, dass das Produkt auf einem 1,4-Gigahertz-Macintosh laufen wird, es wird aber erforderlich sein, dass der User nicht die integrierte Intel-Grafik hat, man muss also wirklich richtige 3D-Grafik haben, nicht den Mist (lacht), den die integrierte Intel-Grafik darstellt. Ach, und OS X 10.3.9 oder höher ist nötig.

Also ist der Mac mini und das MacBook nicht in der Lage, das Spiel laufen zu lassen?
Ich kann mich nicht erinnern, ob es eine Build-to-Order-Option gibt, eine echte Grafikkarte einzubauen. Aber an sich ist das richtig. Ich möchte das so sagen: Es gibt kein modernes 3D-Spiel, das vernünftig mit integrierter Intel-Grafik arbeitet. Diese Grafik-Technologie ist jetzt fünf Jahre alt, und das können wir nicht unterstützen. Das ist Müll.

Danke für diese Aussage.
(Tamte lacht.)

Okay. Viele unserer Leser möchten etwas über das Windows-Spiel „Red Orchestra“ erfahren, das bei Destineer erscheint. „Red Orchestra“ war mal eine normale Modifikation für „Unreal Tournament“, das es – natürlich von der Destineer-Tochter MacSoft – für die Mac-Plattform gibt. Besteht die Möglichkeit, dass „Red Orchestra“ irgendwann demnächst auf dem Mac erscheinen könnte, und falls ja, wann?
(Tamte holt tief Luft) Nein. (lacht)

Mist.
(lacht) Wir prüfen, ob wir Red Orchestra auf den Macintosh bringen. Red Orchestra ist für uns sehr erfolgreich auf der PC-Plattform gewesen, und wir schauen uns das an, aber ich habe kein bestimmtes Datum, und es wird leider auch nicht in den nächsten paar Monaten geschehen. Es gibt einige Komplikationen, Red Orchestra auf den Macintosh zu bringen, obwohl es ein Unreal-Tournament-Produkt ist, die wir abarbeiten müssen. Aber: Wir scheuen es uns an, weil sich Red Orchestra auf dem PC so gut geschlagen hat.

Was künftige Spiele von MacSoft betrifft, wie lange werden Sie eigentlich noch die PowerPC-Plattform unterstützen, die den größten Teil der installierten Basis ausmachen dürfte?
Ich würde sagen, dass wir den PowerPC für weitere sechs bis zwölf Monate unterstützen werden. Allerdings werden Produkte, die wir ab 2008 veröffentlichen werden, voraussichtlich keinen PowerPC mehr unterstützen.

Warum scheren Sie sich überhaupt noch um die Macintosh-Plattform, wo doch jeder neue Mac in der Lage ist, Windows laufen zu lassen und von all dessen Vorteilen wie DirectX profitieren kann?
Klar. Aber als ein Mac-User bevorzuge ich es, die Mac-Version eines Spiels zu spielen. Ich bevorzuge es, zu jeder Zeit im Mac OS zu bleiben. Ich mag nicht einmal die Idee, in ein anderes Fenster zu wechseln. Natürlich wechsele ich in ein anderes Fenster, wenn ich das muss. Wenn ich eine bestimmte Applikation in Windows laufen lassen muss, dann wechsele ich zum Windows-Betriebssystem. Aber ich bevorzuge es, so viel wie nur irgend möglich in der Macintosh-Umgebung zu bleiben. Wir glauben, dass viele andere das ebenso sehen. Wir bevorzugen auf jeden Fall die Macintosh-version des Spiels, vorausgesetzt, es erscheint ziemlich nah am Zeitpunkt des PC-Erscheinungstermins. Unsere Strategie bei Destineer ist daher, dass die meisten Produkte, die wir in ein paar Jahren auf den Macintosh bringen, Macintosh-Versionen der Spiele sind, die Destineer selbst für die anderen Plattformen entwickelt. In den meisten dieser Fälle wird es so sein, dass wir die Mac-Versionen simultan mit der Windows-Version verfügbar machen. Wenn das der Fall ist, werden die meisten User lieber die Macintosh-Version kaufen statt die Windows-Version unter Mac OS laufen zu lassen.

Sie entwickeln Simulationen für das US-Militär. Ist „Close Combat: First to Fight“ der Vorläufer oder Nachfolger einer solchen Trainingssoftware?
Ja. Wir haben eine Version von „First to Fight“ für das US Marine Corps erstellt, die sie dort für das Training benutzen, und eine als ein kommerzielles Spiel. Die beiden Versionen sind nicht identisch. Das Trainingsprodukt existiert vornehmlich zum Lernen. Das Spiel hingegen existiert vornehmlich zur Unterhaltung. Wir machen also keine Trainingssimulationen für den kommerziellen Markt, und wir machen keine Computerspiele für US- und internationale Militärorganisationen. Tatsächlich würde das Wort „Spiel“ eher Sorge bei den Politikern auslösen, warum das Militär Geld für Computerspiele ausgibt. Naja, sie tun’s nicht (lacht). Wir benutzen die sich überschneidende Technologie, damit die Regierung Millionen von Dollars und Kosten einsparen kann. Aber die Produkte sind total unterschiedlich. Was Destineer einzigartig macht ist, weil wir diese Trainingssimulationen für Militärorgansiationen entwickeln, sind wir in der Lage, dadurch erworbene Fachkenntnis so zu nutzen, dass unsere kommerziellen Videospiele viel realistischer, viel authentischer werden. Aber das Produkt selbst ist unterschiedlich: Das Videospiel ist zur Unterhaltung, die Trainingssimulation ist zum Lernen.

Sehen sie denn ähnlich aus?
Sie sehen identisch aus. Die Grafik ist identisch.

Was sind denn dann die grundsätzlichen Unterschiede zwischen den beiden?
Zum Beispiel ist der Realismus in der Militärversion viel höher. Im Videospiel haben wir Zugeständnisse gemacht, etwa in der Frage, wie oft jemand angeschossen werden kann. Das Militär hat sehr genaue Missionsziele, also haben wir sehr konkrete, militärische Missionen gebaut, wohingegen wir in der Spiel-Version die Missionen auf den größten Unterhaltungswert gestaltet haben. Außerdem gibt es eine Reihe von Werkzeugen, die in der Militärversion eingebaut sind, damit die damit trainierenden Soldaten möglichst gute Unterstützung beim Lernen erhalten. Beim Militär nennt man das „After Action Review“ (etwa: Einsatznachbesprechung). Davon gibt es einige eingebaute Funktionen; auch Ausbilderwerkzeuge gibt es, die wir nicht in das Spiel integriert haben. Das sind nur ein paar der Unterschiede.

Destineer war im letzten Monat auf der Games Convention in Leipzig vertreten. Einige Leute möchten gerne wissen, ob Sie künftig regelmäßig an derartigen Messen teilnehmen werden, denn Spieler möchten gerne mit den Entwicklern in Kontakt treten, deren Spiele sie so mögen.
Ja, wir planen, im nächsten Jahr viel größer als zuletzt nach Leipzig zu gehen. Ich würde davon ausgehen, dass wir mehr Leute dort haben und mehr unserer Produkte dort zeigen werden.

Vielen Dank, Peter, dass Sie all diese Fragen beantwortet haben. Ich wünsche Ihnen einen tollen Tag hier in Deutschland und alles Gute.
Vielen Dank!

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