Apple Mighty Mouse

2005 ist das Jahr, in dem die Hölle gleich zweimal zufror. Das erste Mal, als Apple ankündigte, künftig Prozessoren des Feindbildes Nummer Zwei (Nummer Eins ist ein gewisser Softwareproduzent aus Redmond…) in seinen Rechnern zu verbauen. Das zweite Mal, als Apple einen seiner Grundsätze und eines der Alleinstellungsmerkmale seiner Rechner über den Haufen warf: Die erste Mehrtastenmaus aus eigener Produktion wurde auf den Markt gebracht und sollte fortan als Standardmaus mit jedem neuen Mac ausgeliefert werden.

Diskussionen über das Bedienkonzept des Mac gleiten recht schnell ins Philosophische ab. Dennoch zum Einstieg ein paar Worte dazu: Apple verfolgte mit seinem Macintosh-Betriebssystem lange Zeit den Ansatz, die Bedienung des Rechners so intuitiv wie irgend möglich zu gestalten. Man schrieb sich auf die Fahne, den Rechner ›for the Rest of us‹ zu produzieren, den Rechner, den jeder sofort benutzen konnte, egal welche Vorkenntnisse er hatte. Einschalten und loslegen war das Motto. Zu diesem Konzept gehörte auch, eine Maus auszuliefern, die absolut idiotensicher zu bedienen war. Applemäuse hatten seit Anbeginn der GUI-Zeiten immer nur eine Taste – lange Zeit war das völlig ausreichend. Im Prinzip ist das heute noch so: selbst Mac OS X lässt sich mit nur einer Maustaste völlig flüssig benutzen, und es gibt noch immer Mac-Applikationen, die die zweite Maustaste völlig ignorieren und trotzdem (oder vielleicht gerade deswegen) sehr flott zu benutzen sind.

Nichtsdestotrotz hielten bereits mit Mac OS 8 Kontextmenüs Einzug in das Betriebssystem – Menüs, die objektspezifische Befehle anboten. Je nachdem, auf was für ein Objekt der Mauszeiger deutete, wurden die Befehle des Menüs ausgetauscht. In der Windows-Welt waren solche Menüs seit langem Standard, und tatsächlich verkürzten diese Menüs einige Befehlssequenzen ganz erheblich. Besonders praktisch für alle, denen das Auswendiglernen aller Tastaturkürzel des Betriebsystems und der Applikationen zu mühsam war. Diese Menüs wurden bei Windows traditionell mit einem sogenannten Rechtsklick aufgerufen – kein Problem, da in der Windowswelt alle Mäuse mindestens zwei Tasten mitbringen. Und hiermit hatte der Mac dann ein Problem: Wenn die Maus nur eine Taste hat, kann man auch nur eine Taste drücken. Es etablierte sich ein – im Vergleich zum eleganten Rechtsklick recht umständlicher – Workaround, der darin bestand, vor dem Klicken auf das Objekt die ›ctrl‹-Taste zu drücken.

Echten Maus- und Kontextmenüfans war das Procedere jedoch zu umständlich, und so wurde es schon bald Tradition, sich zum neuen Mac auch direkt eine Zweitastenmaus eines anderen Herstellers zu kaufen. Besonders für Spieler war dies eine unverzichtbare Maßnahme, denn es gibt nahezu kein Spiel, dass nicht exzessiven Gebrauch von der zweiten Maustaste machen würde. Viele Games sind ohne Mehrtastenmaus sogar völlig unspielbar. Dennoch sah sich Apple lange Zeit nicht genötigt, von der Eintastenmaus abzukehren – zu sehr hing man an der eigenen Philosophie, zu sehr war man vom Konzept der Eintastenmaus überzeugt. Doch nun gilt es, neue Kunden im computergesättigten Markt zu gewinnen. Kunden, die in der Regel bereits Kontakt zu Computern anderer Hersteller hatten und völlig irritiert sind, wenn die Maus des schicken Aluminium-Rechners mit dem Apfel nur eine popelige Taste mitbringt, wo man doch mindestens fünf gewohnt ist.

Vor ein paar Monaten war es dann so weit: die »Mighty Mouse« wurde vorgestellt und sollte fortan alle glücklich machen. Die Switcher, die alten Apple-User und die Spieler. Auf dem Papier sieht das Gerät auch sehr vielversprechend aus. Die »Mighty Mouse« ist eine eigens von Apple entwickelte Maus mit nicht nur einer, nicht zwei, nicht drei, sondern vier Tasten. Drei der Tasten sind an der Gehäuseoberseite, die Vierte an den Seiten des Gehäuses untergebracht. Sie wird durch seitliches Drücken, auch Quetschen oder ›Squeezen‹, ausgelöst. Damit nicht genug: Als Bonus gibt es einen Scrollball, der ein flüssiges Bewegen des Fensterinhalts sowohl vertikal, als auch horizontal ermöglicht.

Das Design der Maus ist bewährt: Es basiert auf der Gestalt der alten »ProMouse«, der ersten optischen Maus des Herstellers aus Cupertino. Die »Mighty Mouse« ist genau so hoch, breit und lang wie die »ProMouse«. Das Gewicht wurde etwas reduziert, das Mauskabel wurde auf etwa 73 cm verlängert. Das Rädchen zum Einstellen des Klickwiderstandes wurde bei den Applemäusen schon vor einiger Zeit wegrationalisiert, die weisse, nicht transparente Gehäusefarbe ist auch schon seit längerem Standard. Der optische Sensor der »Mighty Mouse« sitzt etwas weiter vorn im Gehäuse als der Sensor der »ProMouse«. Das hat zur Folge, dass besonders Bewegungen aus dem Handgelenk etwas schneller umgesetzt werden, als man das noch von der »ProMouse« gewohnt war. Ansonsten ist die »Mighty Mouse« visuell nur durch den kleinen, an der vorderen Gehäuseseite herausragenden Nippel und das Kabel von der weissen Bluetooth-Maus zu unterscheiden. Die Maus bedient sich noch immer des bewährten Wipp-Mechanismus, das ganze Gehäuse dient also im Prinzip als Taste. Neu sind Sensoren, die im Gehäuserinneren angebracht sind und erkennen, an welcher Stelle des Gehäuses der Benutzer gerade seine Finger platziert hat. Durch diese Sensoren erkennt die Maus, welche Funktion ausgeführt werden soll. Das Regelwerk der Abtastung ist einfach: Finger links und rechts des Scrollballs: Normaler Linksklick. Finger links des Scrollballs: Ganz normaler Linksklick. Finger rechts des Scrollballs: Rechtsklick. Quetscht man die Maus, erkennen seitlich angebrachte Sensoren einen Klick auf die dritte ›Taste‹. Als vierte ›Taste‹ dient der Scrollball, wenn er so tief gedrückt wird, dass das Gehäuse einen Klick auslöst.

Die Maus kann im Prinzip an jeden Mac angeschlossen werden, der über einen USB-Anschluß verfügt. An diesen Rechnern werden die zweite Maustaste und die vertikale Scrollfunktion des Scrollballs unterstützt. Ab Mac OS X 10.3.9 kann über die Maus Exposé aktiviert werden. Der volle Funktionsumfang steht jedoch lediglich Besitzern von Mac OS X ab Version 10.4.2 zur Verfügung. Ab hier kann eine mit der Maus gelieferte Treibersoftware installiert werden, die zusätzliche Funktionen zur Verfügung stellt. Unter anderem kann so mit der Maus zwischen den Programmen gewechselt werden, Programme können geöffnet und Spotlight kann aufgerufen werden.

So weit die Theorie. In der Praxis beginnen die Probleme schon beim Rechtsklick: Will man den ausführen, muss der linke Finger angehoben sein, sonst erkennt die Maus einen Linksklick. Besonders ergonomisch und intuitiv ist das nicht, vor allem wenn man es bislang gewohnt war, die Finger auf der Maus aufliegen zu lassen. Ein weiteres Problem ist, dass man nie so recht weiß, wo der eine Abtastbereich beginnt und wo der andere aufhört. Wenn man sich die Maus schnell schnappt, kann es vorkommen, dass zunächst beide Finger im Bereich der rechten ›Taste‹ liegen. Die Maus bietet den Fingern zu wenig haptische Orientierungsmöglichkeiten – das könnte in stressigen Spielsituationen zum Problem werden. Gleichzeitiges Links- und Rechtsklicken ist auch nicht möglich, weswegen einige Optionen bei der Tastenbelegung von Spielen wegfallen. Will man die dritte Taste betätigen, hebt man am besten alle Finger von der Gehäuseoberseite ab – da die Maus recht fest gequetscht werden muss, wäre sonst die Gefahr recht groß, ungewollt einen Rechts- oder Linksklick auszulösen. Die ganze Aktion wirkt immer recht schwerfällig, fast so als müsse man die »Mighty Mouse« dazu zwingen, doch bitte einen Klick auszuführen. Der Klick auf die vierte Taste hingegen wird sehr einfach erkannt, sogar so einfach, dass er durchaus ungewollt ausgelöst werden kann – zum Beispiel dann, wenn Grobmotoriker mit dem Scrollball den Fensterinhalt bewegen wollen.

Der Scrollball ist das Beste an der »Mighty Mouse«, aber leider bietet auch diese Innovation – das ist er tatsächlich – Angriffsfläche für Kritik. Mit dem Ball lässt sich z.B. butterweich und kreuz und quer in Photoshop durch Bilder, in Illustrator durch Zeichnungen und im Finder durch die Fensterchen scrollen. Eine wirklich feine Sache. Der Scrollball bietet dabei einen ganz sanften und leisen Klickwiderstand, der das zeilenweise Scrollen noch präziser macht. Wie lange diese Präzision anhält, ist jedoch ungewiss: Der Ball wird mit der Zeit natürlich auch verschmutzen. Apple hat keine Möglichkeit vorgesehen, den Ball zum Säubern aus dem Gehäuse nehmen zu können, von einer Möglichkeit, das Gehäuse zu öffnen ganz zu schweigen.

Kann man sich im normalen Arbeitsalltag vielleicht noch mit den Mängeln der Maus abfinden, wird spätestens beim Spielen von schnellen Actionspielen wie den meisten Ego-Shootern das obere Ende der Toleranzschwelle erreicht. Hier bestätigen sich all meine zuvor dargelegten Befürchtungen. In Quake III Arena ist es zum Beispiel nicht anzuraten, ›Feuer‹ auf die linke und ›Springen‹ auf die rechte Maustaste zu legen – Pech für mich. Besonders enttäuscht hat mich im Spiel jedoch der Scrollball. Bei anderen Mäusen pflegte ich mit dem Scrollrad durch die Waffen zu blättern. Mit dem Scrollball ist es eine Frage des Zufalls, ob man die gewünschte Waffe trifft – die Abfrage der Bewegungsschritte ist zu fein und der Klickwiderstand zu gering. Was in Photoshop und im Finderfenster für butterweiches Scrollen sorgt, verursacht im Shooter ein äußerst rasantes und unkontrollierbares Tempo beim Blättern. Auch die an der Seite befindlichen Tasten stören mit ihrem hart abgestimmten Klickwiderstand den Spielfluss – egal, mit welcher Aktion man sie belegt hat. Irgendwann geht man dann wieder dazu über, die genannten Funktionen wie gehabt mit der Tastatur durchzuführen – ganz so, als würde man mit der alten Eintastenmaus spielen.

Die »Mighty Mouse« ist nichts für Menschen mit großen Pranken. Zu elegant ist das Design der Maus, zu schmal und zu flach der Korpus, als dass die Maus diesen Menschen gut in der Hand liegen könnte. Wer diesbezüglich schon mit der »ProMouse« auf Kriegsfuß stand, wird auch mit der »Mighty Mouse« nicht glücklich werden.

Wer schnell anfängt zu schwitzen, hat mit einem weiteren Ärgernis zu tun: Die Oberfläche der Maus besteht aus durchgehend glattem Kunststoff und bietet schweißnassen Fingern keinerlei Halt. Eine Gummierung oder aufgeraute Bereiche an den entscheidenden Stellen wären besonders für Spieler wünschenswert gewesen. Diese Maßnahmen hätten sogar helfen können, die unterschiedlichen Sensorbereiche besser kenntlich zu machen.

In etwas behäbiger zu spielenden Games fallen die erwähnten Mängel nicht ganz so eklatant ins Gewicht. Dennoch sind sie da und fühlbar. Es mag ja sein, dass man sich mit der Zeit daran gewöhnt, den linken Finger beim Rechtsklick anzuheben. Aber, Hand aufs Herz: Muss das wirklich sein? Werfen wir einen Blick auf die Konkurrenz: Wenngleich nicht ganz so elegant aussehend, fordern diese Mäuse dem Benutzer meist keine faulen Kompromisse bei der Bedienung ab, bieten in der Regel einen mit der »Mighty Mouse« vergleichbaren bzw. besseren Funktionsumfang, sind häufig besser auf die Bedürfnisse der Spieler zugeschnitten und dabei in der Regel noch günstiger im Preis.

Fazit:

Was mit einer Taste hervorragend funktioniert, funktioniert mit zwei Tasten leider nicht doppelt so gut. Apples »ProMouse« war ein Musterbeispiel hervorragenden Produktdesigns: Absolut idiotensicher, gut in der Hand liegend, von Rechts- wie Linkshändern gleichermaßen präzise zu bedienen. Egal wie sie gegriffen wurde, egal wo man auf der Oberfläche auf sie drückte, um zu klicken: sie funktionierte. Apples »Mighty Mouse« ist der Versuch, das hervorragende Design der »ProMouse« durch weitere Features aufzuwerten, aber der Schuss geht nach hinten los. Zu unstimmig ist das Gesamtkonzept: Der Klickwiderstand der Tasten differiert. Das im Prinzip sehr ergonomische Gehäusedesign der Maus wird durch den Umstand, dass das Gerät für das Auslösen einiger Funktionen bestimmte Fingerpositionen voraussetzt, ad absurdum geführt. Nichtmal der Linksklick klappt mit dieser Maus so gut wie bei den Vorgängern. Selbst das stärkste Argument für den Kauf des Gerätes wird auf lange Sicht seinen Reiz verlieren: Der Scrollball kann nicht zur Reinigung aus dem Gerät entnommen werden, womit die Präzision des Balls bei zunehmender Verschmutzung nachlassen dürfte. Das Fazit ist ernüchternd: Diese Maus kann nichts, was die Konkurrenz nicht besser könnte. Außer auf mächtig dicke Hose machen. Und aufs Portmonee drücken.

Christian Schramm

Verfügbarkeit

Zu haben ist das Produkt Apple Mighty Mouseim macinplay-Shop.

Bilder (klicken für mehr)

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