Assassin's Creed II

Stell dir vor, du hast einen Assassinen als Vorfahre und du trägst seine Erfahrungen und Talente in deinen Genen spazieren! Und jetzt stell dir vor, eine Maschine kann diese Erinnerungen wecken und dich in die Vergangenheit zurück schicken, um die Geschichte mitzuerleben und zu gestalten! Für Desmond Miles wird diese Vorstellung im Action-Adventure Assassin’s Creed II zur Realität und für uns zum spannenden Tripp in die Toscana vergangener Tage.

Vorgeschichte

Würdet ihr Desmond Miles auf der Straße treffen, käme euch nie in den Sinn, in dem Durchschnittstypen einen Assassinen zu sehen. Der Endzwanziger Barkeeper hat ja selbst nur wenig Vertrauen in sich selbst bis dieser eines Tages mithilfe einer Maschine namens Animus erfährt, dass er ein Nachfahre der Assassinen ist und somit ein Todfeind des Templer-Ordens. Doch Animus hat noch mehr auf der Pfanne und so schickt dieser den verdatterten Desmond in Gestalt eines Assassinen ins heilige Land des Jahres 1191. Wir Macspieler mussten auf die Reise ins alte Jerusalem leider verzichten, denn eine Portierung des ersten Teils fand nie den Weg auf unseren Lieblingsrechner. Doch der Erfolg des Titels beschert uns zumindest den Nachfolger welcher uns ins Italien der Renaissance und in die Fußstapfen des jungen Bankierssohnes Ezio Auditore de Firenze steckt. Das ändert am Spielprizip zwar nichts, erspart uns dafür allerdings viele Schwächen des Vorgängers.

Am Tag seiner Geburt

Unsere erste Begegnung mit Ezio haben wir am Tage seiner Geburt. Die Entwickler nehmen die Gelegenheit wahr, uns in die Steuerung des Puppenspielerkonzepts einzuweihen. Denn Ezio gehorcht zwar auf die üblichen WASD-Tastaturkommandos, lässt sich darüber hinaus allerdings auch mit jeweils einer eigenen Taste für jedes Körperteil steuern. Beispielsweise ist die E-Taste dem Kopf und die linke Maustaste der Waffenhand zugeteilt, während die Command-Taste die freie Hand und die Leertaste die Beine steuert. Das klingt zum Glück nur kompliziert, spielt sich aber bereits nach wenigen Minuten flüssig. Während des Spiels werden auch immer wieder die passenden Tastaturkommandos eingeblendet. Nur dummerweise haben die Entwickler vergessen, die Einblendungen auf den PC und Mac anzupassen. Das führt Anfangs zu einiger Verwirrung, wenn dem Spieler die Nutzung des Steuerkreuzes oder der X und Y-Taste nahegelegt wird.
Sobald der Säugling die ersten Zuckungen von sich gibt, springt das Spiel in die Jugendjahre Ezios. Der hat sich mittlerweile zu einem draufgängerischen jungen Mann entwickelt, der mitten in einer Schlägerei mit einer verfeindeten Familie steckt. Und auch hier lernen wir mit der Steuerung umzugehen, uns zu prügeln und die besiegten auszuplündern. Ebenso geschieht dies beim Wettrennen mit unserem Bruder über die Dächer von Florenz, beim Gemäldeschleppen von Leonardo da Vincis Werkstatt und beim Sammeln von Adlerfedern für den kleinen Bruder. Diese Trainingsphase schafft auch gleichzeitig dank der gut geschriebenen und vertonten Dialoge eine Beziehung zur Familie Auditore. Denn jedes Familienmitglied wirkt dank der starken Charakterzüge und dem nachvollziehbaren Tagesablauf lebendig und authentisch. Lediglich die extrem schlechte Lippensychronität zieht die Atmosphäre nach unten, zumal dadurch lange Pausen in den Dialogen entstehen. Ein ärgerliches Problem, dass ich von der Konsolenversion nicht kenne.

Schuld und Sühne

Während Ezio mit Liebesabenteuern und Schlägereien seinen Ruf versaut, braut sich böses über dem Hause Auditore zusammen. Schon als ihn sein Vater mit der Auslieferung eines Briefs an ein paar seltsame Gestalten beauftragt, hat Ezio ein komisches Gefühl. Und aus dem Gefühl wird Gewissheit als die halbe Familie aufgrund eines Verrats hingerichtet wird. Lediglich Ezio, die Schwester und die Mutter können entkommen. Hier, wie so oft im Spiel, bedienen sich die Entwickler bekannter dramaturgischer Film- und Theaterkniffe. Wenn Ezio beispielsweise ohnmächtig und mit stetig anwachsender Wut der Hinrichtung beiwohnen muss und dabei schließlich Rache an den Verrätern schwört, fühlen wir uns an Shakespeare oder den Gladiator erinnert. Dieses Motiv trägt die Handlung über das ganze Spiel hinaus und macht nachvollziehbar aus dem Jüngling einen verantwortungsvollen aber gnadenlosen Mann. Wie aber nimmt Ezio Rache? Nachdem dieser das Assassinen-Gewand angelegt hat, hangelt er sich von Opfer zu Opfer zum eigentlichen Verursacher des ganzen Leids. Das ist wesentlich stimmiger als beim Vorgänger, bei dem einfach eine Liste “abgemordet” wurde. Dafür müssen wir allerdings auch einen kräftigen Anteil an Freiheiten aufgeben. Denn Assassin’s Creed II folgt einer klaren und streng aufeinander aufbauenden Erzählstruktur. Natürlich warten auch hier zahlreiche Nebenbeschäftigungen wie das Suchen versteckter Glyphen und das Entschlüssen von Bilderrätseln, doch die Handlung selbst bleibt linear. Das bedeutet allerdings nicht, dass um die Story herum nichts los ist. Wer beispielsweise seinen Geldsäckel füllen will, darf sich als Attentäter verdient machen oder untreue Ehemänner verprügeln. Ja selbst der Kauf von Geschäften ist möglich. Die schönste Nebenaufgabe ist aber, in den Gruften der Vorfahren die Einzelteile eines Assassinen-Siegels zu sammeln. Schön deshalb, weil die Grabstätten in den Städten und Orten Florenz, Monterrigioni, San Giminano, Forli, Venedig und Rom verstreut sind und bei Erfolg die letzte Mission freigeschaltet wird.

Auge in Auge

Während der Vorgänger mit nett anzusehenden aber anspruchslosen Kampfsequenzen anödete, gibt sich der zweite Teil anspruchsvoller. Und damit sind nicht nur die Soldaten, Söldner usw. gemeint. Neben der Waffenauswahl (Doppelklingen und Schwert) entscheidet besonders das richtige Timing. Gerade gilt das für Kombinationen. Und der Variantenreichtum kann sich sehen lassen. Neben den üblichen Stich- und Schwungmanövern darf Ezio seinen Gegner packen, ihn mit Kopfstößen oder Faustschlägen traktieren, blocken und kontern. Das sieht geschmeidig aus und ist immer wieder ein Fest für die Augen. Das gilt übrigens auch für die Kletterpassagen. Auch hier macht Ezio eine hervorragende Figur und springt und klettert wie eine Katze Fassaden und Leitern empor. Lediglich die Laufbewegungen fallen da etwas ab. Fernab der Nahkämpfe hat Ezio eine reiche Auswahl an Waffen, Rüstungsteilen und Ausrüstungsgegenständen. Schon die über 30 Waffen geben genügend Raum für Experimente. Mit den Gegnern ist das übrigens so eine Sache. Einigen ist mit den üblichen Methoden nur schwer bei zu kommen. Die blocken nämlich so geschickt, dass es schon einigen Aufwand kostet, die Jungs nieder zu machen. Wem das zu lange dauert, der versucht den Gegner einfach im richtigen Moment zu entwaffnen, oder er heuert kurzerhand einige Auftragskiller an. Und wenn es doch einmal schief geht und die Gesundheit im Keller landet, dann helfen Doktoren oder Medizinbeutel bei der Regeneration.
Bei allem Spaß am Kämpfen wird sich aber bald jeder nach Alternativen umsehen. Und die gibt es zu Genüge. Wer beispielsweise eine Gruppe Kurtisanen engagiert, kann mit diesen die Wachen ablenken. Auch verschwindet Ezio prima in Menschenansammlungen und ist so für den Feind unsichtbar, solange der Assassine in der Gruppe mitläuft. Mit diesen beiden Möglichkeiten lässt sich jede Torwache ausschalten und jeder Ein- und Ausgang durchqueren. Aber Ezios größter Vorteil bleiben seine Kletterkünste. Und ich kann euch sagen, schöner und geschmeidiger sah das noch in keinem Spiel aus. Und wer den Bogen mit der Steuerung erst raus hat, der schwingt sich elegant an Holzbalken entlang, erklimmt die höchsten Dächer und springt von Balkon zu Balkon. Damit ihr dabei den Überblick nicht verliert, geben Aussichtspunkte einen wundervollen Blick auf die Städte frei und ermöglichen euch, den richtigen Weg über die Dächer zu finden. Denn ganz ungefährlich ist die Sache nicht. Nicht nur, dass ihr in eine ausweglose Position springen könnt und dann den Weg wieder zurück gehen müsst, auch warten Bogenschützen in luftiger Höhe auf euch. Da heißt es, mit Bedacht vorgehen. Damit es nicht zu schwierig wird, haben die Entwickler eine Karte eingebaut welche zumindest die Richtung vorgibt.

Immer auf der Flucht

Ezio kann machen, was er will. Immer wieder ist die Stadtwache hinter ihm her und versetzt uns damit in ständige Alarmbereitschaft. Denn die Gegner gehen relativ klug vor. Selbst die Heuhaufen in denen wir uns verstecken können, sind nicht vor Durchsuchungen sicher. Das schafft eine angenehme Spannung, auch wenn sich gerade hier Schwächen im Spieldesign und bei der KI zeigen. Beispiel: Um unseren Bekanntheitsgrad zu senken, müssen wir unsere Steckbriefe finden und abreißen. Interessanterweise finden sich aber viele davon an der Hauswand des zweiten Stocks oder auf einem Balkon! Wer kommt nur auf die Idee, dass die dort von jemandem gesehen werden? Und ein anderes Beispiel: Ist uns die Stadtwache mal wieder zu dicht auf den Fersen, klettern wir einfach auf ein Dach. Die Wachen klettern brav einzeln hinterher und lassen sich so bequem erledigen. Das ist manchmal einfach nur schwach, sehr oft aber auch lächerlich. Neben dem Vernichten der Steckbriefe gibt es übrigens noch weitere Methoden, den Alarmzustand abzuschwächen und auszuschalten. So können wir entweder Herolde bestechen oder einige Beamte ermorden.

Nicht makellos

Technisch ist Assassin’s Creed II leider nicht auf dem inhaltlichen Niveau. Einzelne Programmabstürze, starke Pop-Ups und nicht mehr ganz taufrische Gesichtsanimationen stören den positiven Gesamteindruck genau so, wie die grausame Lippensynchronisation. Auch fallen die Details bei den Passanten deutlich gegenüber denen der Hauptcharaktere ab. Das alles lässt sich aber verschmerzen und verzeihen angesichts der unglaublichen Detailverliebtheit der Entwickler. Allein schon die Städte sind in einer bisher unerreichten Vielfalt und Stimmung abgebildet und laden zum Flanieren und Rumhängen ein. Immer wieder steht man staunend auf den Dächern und kann es einfach nicht glauben, was hier erschaffen wurde. Aber auch am Boden gibt es einiges zu sehen. Gerade die vielen Stuckverzierungen, Fresken und Deckenmosaike, die wunderschönen Lichteffekte und die tollen Zwischensequenzen ziehen uns mühelos in diese Welt und geben uns immer wieder die Gelegenheit in die toscanische Renaissance abzutauchen. Die sehr guten Informationstexte zu historisch verbrieften Personen, Gebäuden und Ereignissen runden den positiven Gesamteindruck ab.

Fazit

Ist Assassin’s Creed II nun der große Überflieger unter den Action-Adventure Spielen? Ja und nein. Denn als reines Action-Adventure kann das Spiel dank spannender aber vorhersehbarer Geschichte durchaus unterhalten, leidet aber unter Makeln wie unübersichtlichen Kämpfen, immer gleichen Abläufen und einigen KI-Problemen. So bleibt unterm Strich ein gutes wenn auch nicht perfektes Action-Adventure, dass allerdings durch seine geniale Mischung aus Fiktion und Historie zu einer einzigartigen Milieustudie wird. Wer der Mischung aus Action und Geschichte etwas abgewinnen kann, wird die Reise in die toscanische Renaissance genießen.

Systemvoraussetzungen

Mindestvoraussetzungen

Mac OS X 10.5; 3 GHz Intel Mac Core Duo; 3000 MB RAM; 9GB Festplattenspeicher
Grafikkarte mit 256 MB VRAM; DVD-Laufwerk
Es wird eine ständige Internetverbindung zum Spielen benötigt.

Empfohlene Systemkonfiguration
Intel Core i5 2.66 GHz oder besser; 4 GB RAM oder mehr
Grafikkarte mit 512 MB VRAM – ATI Radeon® HD 4850 , NVIDIA GeForce GT120 oder besser

sonstige Informationen
Sprache: deutsch
Sprache Handbuch: deutsch

Jugendschutz
USK: freigegeben ab 16 Jahren
PEGI: –

Entwickler: Ubisoft
Herausgeber: Ubisoft

Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von Application-Systems Heidelberg zur Verfügung gestellt.

Bezugsquellen

Link: Assassin’s Creed II bei Amazon*
Link: Assassin’s Creed II bei Arktis*
Link: Assassin’s Creed II: Deluxe Edition bei Steam

Screenshots (klicken für mehr)

[flickr album=72157625855079264 num=5 size=Square]

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0 Antworten auf “Assassin's Creed II

  1. ich seh ja durchaus gemischte meinungen zu den technischen vorraussetzungen, manchmal solls reibungslos auf nem aktuellen macbook pro funktionieren, manchmal nur mit heftigen rucklern und manchmal gar nicht. könnt ihr etwas zur technischen perfmance sagen?

  2. Hallo Fritz. Ich hab das Spiel auf einem iMac 2,8 GHz Intel Core i7 mit 8 GB RAM und einer ATI Radeon HD 4850 getestet. Da lief es auch in der höchsten Einstellung ohne Ruckler. Bei einem aktuellen Macbook Pro schätze ich, dass die Details deutlich runtergezogen werden müssen. Die Detailfülle verlangt schon eine Menge Grafikspeicher. Und genau da liegt das Problem beim Macbook Pro. Allerdings geht bei reduzierter Grafik auch einiges an Atmosphäre verloren.

  3. Im Testbericht zu diesem Spiel steht: „Es wird eine ständige Internetverbindung zum Spielen benötigt.“ Ich halte diese Tatsache für sehr hinderlich, nicht zuletzt, wenn ich diesbezüglich an das Desaster bei „Siedler 7“ denke. Und noch eine Frage… Basiert dieses Assassin’s Creed II am Ende etwa auch auf dieser fragwürdigen Cider-Engine?

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