Barkanoid 2

Tra|di|tion, die. Meint: Überlieferung, Herkommen, Gewohnheit, Brauch. Zum Beispiel die Überlieferung von kulturellen Formen und Inhalten (z. B. Bräuche, Glaubensvorstellungen, Erzählstoffe, Lieder u. Ä.) über eine bestimmte Zeit hinweg. Im Groben können wir unterscheiden zwischen angenehmen, willkommenen Traditionen und lästigen, kneifenden, der Gesellschaft klettenartig anhaftenden Traditionen (z. B. Muttertag, Familientreffen zu Weihnachten etc.). Auch in Computerspielen leben Traditionen fort. Angenehme wie schlechte. »Barkanoid 2« hat von beiden etwas – von den einen weniger, von den anderen leider mehr… Es geht dabei sogar so weit, längst vergessen geglaubte Unarten wieder aus der Mottenkiste hervor zu kramen.

Spiele, die sich in Aufmachung und Spielprinzip an alten Klassikern orientieren, gibt es viele. Zu diesen gesellt sich »Barkanoid 2«, das in der Tradition des Klassikers »Arkanoid« steht. Dieser basiert seinerseits auf dem allseits bekannten »Pong«. »Arkanoid« diente als Vorlage für zahlreiche, teils brilliante Klones und Neuauflagen. Zu den besseren Titeln gehören z. B. »Krakout« auf dem C64, das das Spiel von der Vertikalen in die Horizontale verlegte, oder – um auch ein jüngeres Beispiel zu nennen – das für den Mac erhältliche »PopPop« von Ambrosia. Die erste Version von »Barkanoid« erschien bereits 1986 in der DDR und entwickelte sich dort zum Hit. 1991 wurde es unter dem Namen »Galaxy Barkanoid« für das wiedervereinigte Deutschland neu aufgelegt. 1998 erschien dann eine Version für Personal Computer, im Jahr 2000 eine »Gold Edition«. »Barkanoid 2« ist der offizielle Nachfolger, dieser ist kürzlich von Magnussoft fertig gestellt und von e.p.i.c. interactive auf den Mac portiert worden.

Das Spielprinzip der »Arkanoid« Spiele ist simpel, »Barkanoid 2« macht da keine Ausnahme: innerhalb eines Spielfeldes sind Spielblöcke platziert. Diese Blöcke lösen sich bei Kontakt mit einem Ball in Wohlgefallen auf. Der Ball zieht in geraden Bahnen durch das Spielfeld, stößt er an eine Mauer oder einen Block, gilt das Gesetz »Einfallswinkel gleich Ausfallswinkel«. Das Spielfeld ist an der Unterseite offen. Vor diesem offenen Ende ist ein Paddle – ein kleiner Balken – platziert, der vom Spieler in der Regel nach links und rechts, in Ausnahmefällen auch nach oben oder unten gesteuert werden kann. Die Aufgabe des Spielers besteht zum einen darin, den Ball mit dem Paddle am Verlassen des Spielfeldes zu hindern, zum anderen dessen Laufrichtung so zu beeinflussen, das sämtliche Blöcke von Spielfeld geräumt werden. Erschwert wird diese Aufgabe von willkürlich auf dem Spielfeld erscheinenden Monstern, die bei Berührung mit dem Ball dessen Laufrichtung unberechenbar verändern, ihn kurzeitig gefangen nehmen oder aber bei Kontakt mit dem Paddle euren aktuell laufenden Versuch sofort beenden.

Zum Glück sind in einigen der Steinblöcke Extra-Boni versteckt. Wird so ein Block vom Ball berührt, fällt das Bonusicon nach unten, so dass ihr es auflesen könnt. Schafft ihr dies, werdet ihr unter anderem mit Punkten, einem größeren Paddle, einem größeren Ball oder aber mit einer Änderung der vorherrschenden Wetterverhältnisse belohnt. Feuermonster trauen sich bei Regen zum Beispiel nicht auf’s Spielfeld – alles klar?

»Barkanoid 2« bietet verschiedene Spielmodi. Zum einen den simplen Single-Player Modus, darüber hinaus noch einen Duellmodus, in dem ihr zusammen mit einem vom Computer gesteuerten Paddle gegen die Steine vorgeht.

Das Spiel bedient sich recht unkompliziert, wurde aber nur leidlich an die am Mac vorherrschenden Bedingungen angepasst. So vergaß man, dass viele Mäuse am Mac nur eine Taste haben. Konsequenz: Sammelt ihr z. B. ein Katapult-Paddle auf, müsst ihr eure Schüsse mit der Kombination »ctrl« und Maustaste abfeuern. Und dies, obwohl die Taste der Maus während des Spiels mit keiner anderen Funktion belegt ist.

Schaut und hört man sich »Barkanoid 2« an, könnte man meinen, die Zeit sei stehen geblieben. Dem gesamten Spiel hängt ein gewisser altmodischer Muff an. Das Schlimme ist: Man merkt an allen Ecken und Enden, dass dies nicht bewusst von den Entwicklern forciert wurde. Die betonen schließlich, dass sie mit »Barkanoid 2« einen zeitgemäßen Nachfolger zum erfolgreichen Vorgänger entwickeln wollten. Die Spielgrafik zum Beispiel ist auf der einen Seite recht hoch aufgelöst und hübsch bunt, auf der anderen Seite jedoch sehr statisch. Die meisten Gegner sind animiert – dennoch wirken die Bewegungsmuster allesamt recht hölzern und undynamisch, was wohl daran liegt, dass die Gegner auf diagonalen Bahnen bei stets gleich bleibender Geschwindigkeit – dem Gesetz »Einfallswinkel gleich Ausfallswinkel« folgend – durch das Spielfeld ziehen. Die im Spielfeld platzierten Blöcke stören sie dabei recht wenig – sie »schweben« einfach über sie hinweg. Lediglich an den Außenbanden des Spielfeldes prallen sie ab. Sehr irritierend außerdem, dass vom Ball getroffene Blöcke nicht einfach vom Spielfeld verschwinden, sondern diagonal zu den Außenrändern des Spielfelds schweben, um dort den Screen zu verlassen. In kritischen Situationen verliert man deswegen schon mal den Ball aus den Augen. Die Musik dudelt in penetranter Tonlage und Instrumentierung einfallslose Melodien vor sich hin, untermalt von einem »modernen« Dancebeat. Man könnte glatt meinen, sie sei zum Abstellen produziert worden.

Altmodischer Muff auch beim Leveldesign. Die Entwickler scheinen hierbei dem Credo »Masse statt Klasse« aufgesessen zu sein. Die schiere Anzahl der Blöcke innerhalb eines Levels zieht dessen Bewältigung endlos in die Länge. Besonders dann, wenn ihr kritische Extra-Boni verpasst habt. Zu häufig verwendet ihr mehrere Minuten darauf, die letzten paar Steine vom riesigen Spielfeld zu räumen. Das Spiel bietet dreihundert Level. Da fragt man sich schon, ob man mehr Masochismus oder mehr Zeit mitbringen muss, um dieses Spiel bis zum bitteren Ende zu ertragen…

Wenn ihr wollt, dürft ihr nach jedem zehnten Level gegen einen Bossgegner antreten. Habt ihr es geschafft einen Level zu meistern, gibt es zur Belohnung – haltet euch fest – ein P-a-s-s-w-o-r-t! Ja, ihr habt richtig gelesen, bei »Barkanoid 2« spielen wir wieder mit Papier und Bleistift – ganz wie in der »guten, alten Zeit«.

Dass »Barkanoid 2« jedoch durchaus Anspruch darauf erhebt, als ein modernes, zeitgemäßes Spiel wahrgenommen zu werden, erkennt man endgültig, wenn man einen Blick auf die empfohlenen Systemanforderungen wirft. Die hat man natürlich nicht auf die Packung gedruckt. Dort sind lediglich die minimalen, recht human und angemessen anmutenden Systemvoraussetzungen zu finden. Angaben zum optimalen System finden sich erst in der im Spielordner liegenden LiesMich-Datei. Sie belaufen sich auf einen mit 1,3 Ghz (in Worten: Eins Komma Drei Gigahertz!) getakteten G4 und eine Grafikkarte mit mindestens 32 MB VRAM. Oh, und für den Fall, das man die Wettereffekte gerne sehen möchte, sollte man schon ein System mit einem mit mindestens 1,5 Ghz (in Worten: Eins Komma Fünf Gigahertz!) Prozessor bemühen…

Fazit:

Eigentlich bin ich sprachlos. Ein Spiel, das aussieht, als wäre es irgendwann gegen Mitte der Neunziger produziert worden, aber Systemanforderungen stellt wie der neueste Ego-Shooter, ist schon etwas besonders Dreistes. Nun muss ich natürlich an dieser Stelle beschwichtigend erwähnen, dass das Spiel auch mit bedeutend weniger Mhz unter der Haube zufriedenstellend läuft. Allerdings nur, wenn man die Wettereffekte abstellt. Aber gerade diese Wettereffekte sind ja das eigentlich – und so ziemlich einzig – Interessante, Neue an dem sonst arg altbacken daherkommenden Produkt… Dieses Spiel ist, gemessen an der Vielfalt der bisher erschienenen Arkanoid- und Breakoutclones, überflüssig wie ein Kropf. Es beweist eindeutig, dass auch ein klassisches Spielkonzept nicht immer ein gutes Spiel garantiert. Absolute Videospiel-Greenhorns können einen Blick riskieren, der Rest schaut sich unbedingt nach was anderem um.

Christian Schramm

Verfügbarkeit

Zu haben ist das Produkt im macinplay-Shop.

Bilder (klicken für mehr)

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