Gridrunner ++

Wer meint, das Zeitalter der 8-bit Homecomputer, das Zeitalter der Augenkrebs erregenden Grafik, dass Zeitalter der schrillen Piep-Sounds und das Zeitalter der simplen Arcadespiele sei unwiederbringlich vorbei, hat sich getäuscht. Wer ganz genau hinsieht, das Internet zwischen den großen Webseiten der populären Spielepublisher liest, wird feststellen: Die Vergangenheit lebt! Und das nicht nur in Emulatoren, sondern auch auf aktuellen Betriebssystemen. Zum Beispiel auf Mac OS X. Retro-Gaming heißt das Stichwort, »Gridrunner ++« heißt das Spiel und Llamasoft die Firma, die es produziert hat.

Hinter Llamasoft steckt Jeff Minter. Herr Minter ist als Spieleprogrammierer gleichermaßen berühmt wie berüchtigt. Seit den Achtzigern versorgt er die Zockergemeinde mit Software, seit Ende der 70er programmiert er. Seine Konzepte sind manchmal gewagt bis visionär. In jüngerer Vergangenheit war er seiner Zeit schließlich soweit voraus, dass rationell denkende Geldgeber die Notbremse zogen. Die Rede ist vom ambitionierten, in Kooperation mit den Lionhead Studios geplanten Spiel »Unity«, das für den Nintendo Gamecube erscheinen und neue Maßstäbe in der Verbindung von Musik und Grafik setzen sollte. Die Spiel gewordene Musik-CD, sozusagen. Gecancelled. Dafür konnte Minter die Firma Microsoft von den Qualitäten seiner Lichtsysthesizer-Software überzeugen. Die wird nun zusammen mit der XBox 360 den Weg in zahlreiche Zockerhaushalte finden.

Am bekanntesten ist Minter vor allem durch seinen Facelift des Spiels »Tempest« geworden. »Tempest 2000« erscheint für Atari Jaguar, IBM-PC und auch für den Mac. Es legte mit seiner Verbindung von abstrakter Grafik, psychedelischen Effekten, turboschnellem Gameplay und heftiger Techno-Mucke einen frühen Grundstein für Spiele wie »Rez«.

Was macht ein Mann wie Minter in Zeiten, in denen keiner seine Visionen finanzieren will? Er nimmt sich eins seiner Erstlingswerke und bearbeitet es auf die gleiche Weise wie bei »Tempest« kurz zuvor. »Gridrunner« erschien zuerst für die 8-bit-Homecomputer der Hersteller Atari und Commodore, es folgte später eine Umsetzung für Amiga. »Gridrunner ++« ist für Windows-PC schon einige Jahre zu haben, jedoch wurde das Spiel erst vor ein paar Monaten auf den Mac portiert.

Story gibt’s keine, das stört aber nicht weiter. Das Geschehen spielt sich gänzlich in zwei Dimensionen ab. Ihr steuert ein kleines Raumschiff, das ununterbrochen und in recht hoher Frequenz Schüsse in den Raum feuert. Mit der Maus könnt ihr dieses Schiff völlig frei über die Spielfläche bewegen. Von links, rechts, oben und unten kommen bald Gegner in Formationen ins Spielfeld, die verflixt an den Wurm aus »Centipede« erinnern.

Das Déjà-vu verstärkt sich, wenn ihr die ersten Treffer landet: Der »Wurm« macht kehrt und wandert in die entgegengesetzte Richtung weiter. An der Stelle, an der ihr ihn getroffen habt, bleibt eine Mine zurück. Diese könnt ihr ebenfalls durch Beschuss vom Spielfeld entfernen. Das ist sehr empfehlenswert, denn wenn ihr diese Minen berührt, verliert ihr ein Raumschiff. Lasst ihr sie einfach unbeachtet zurück, zerspringt sie nach kurzer Zeit in vier Teile, die sich nordwärts, südwärts, westwärts und ostwärts auf den Bildschirmrand zubewegen. Dabei ziehen sie jeweils eine Linie auf das Spiefeld, deren Berührung ebenfalls das Ende für euer Schiff bedeutet.

Der Schwierigkeitsgrad nimmt dabei von Level von Level zu, die Gegner werden nicht nur schneller, sondern verhalten sich auch anders – mal greifen sie ausschließlich von hinten an, dann steuern sie Kamikazeartig auf euer Schiff zu. Gelegentlich zerspringt die schlangenartige Formation auch in ihre Einzelteile, die fortan chaotisch durch das Spielfeld purzeln. Als wäre das der Hektik noch nicht genug, taucht auf dem Bildschirm sporadisch ein Energieblitz auf, der euch nach dem Leben trachtet. Ihr müsst also immer in Bewegung bleiben, da ihr nie so recht wisst, wo der Blitz als nächstes zuschlägt.

Wie in jedem guten Shoot ‚em Up gibt es auch in »Gridrunner ++« kleine Helferlein, die euch beim Kampf gegen die übermächtige Gegnerschar beiseite stehen. In diesem Fall sind es weiße Schafe, die leise blökend auf sich aufmerksam machen, sobald sie auf dem Spielfeld von oben nach unten fallen. Lest ihr so ein Schaf auf, verstärkt sich die Feuerkraft eures Gleiters jedes mal ein wenig, so dass er irgendwann zu einer waffenstarrenden Festung heran gezüchtet werden kann. Seid ihr besonders fleissig und sammelt außerordentlich viele Schafe, erscheint zur Belohnung ein großer Schafskopf, der für euch ordentlich auf dem Spielfeld aufräumt. Als letzter Rettungsanker steht auch außerdem der »Sheepiezapper« zur Verfügung, der pro Level einmal ausgelöst werden kann und aus allen Gegnern in Reichweite Pixelstaub macht.

Das Original »Gridrunner« war schon damals für seine hohe Spielgeschwindigkeit bekannt – dem steht sein Remake in nichts nach. »Gridrunner ++« ist hektisch. Am Anfang wisst ihr kaum, wie ihr dem Gewusel auf dem Bildschirm Herr werden sollt und fühlt euch massiv überfordert. Doch wie in so vielen Geschicklichkeitsspielen macht die Übung den Meister. Und diese Mühe lohnt sich. Bald packt euch das Highscorefieber, angeheizt vor allem durch die Tatsache, dass es eine Online-Highscore Tabelle gibt – die übrigens exklusiv der Mac-Version des Spiels vorbehalten ist. Das Spiel übt nach kurzer Zeit einen fast hypnotischen Reiz aus, der sich auch dann nicht legt, wenn euch zum x-ten Mal in ein und demselben Level das »Game Over« ins Gesicht geklatscht wird.

Zum Glück müsst ihr nicht jedes Mal wieder von vorne beginnen. Das Spiel merkt sich, bis zu welchem Level ihr vorgedrungen seid. Beim nächsten Spielstart dürft ihr selbst entscheiden in welchem der bereits absolvierten Level ihr wieder beginnen möchtet. Außerdem merkt sich das Spiel, in welchem Level ihr sowohl in der erreichten Punktzahl als auch in der Anzahl der verbleibenden Leben am Besten wart und lässt euch nach einem »Game Over« auf Wunsch genau dort weiterspielen. Genug Potenzial für vom Ehrgeiz getriebene Wutausbrüche ist dennoch vorhanden, Frustresistenz müsst ihr unbedingt mitbringen.

»Gridrunner ++« lässt sich sowohl im Fenster als auch im Vollbild starten, bei letzterem werden Auflösungen von bis zu 2304 x 1728 Pixeln unterstützt. Die Grafik ist bewusst fernab all dessen gehalten, was man als »Zeitgemäß« bezeichnen würde. Grobpixelige Sprites, minimale Farbgestaltung. Transparenz? Ein Fremdwort. Umso erstaunter stellt man fest, dass »Gridrunner ++« auf dem Bildschirm ein äußerst heftiges Effekt-Feuerwerk abzubrennen weiß – natürlich immer innerhalb dessen, was der selbst gesteckte Rahmen grafischer Gestaltung zulässt. Dennoch ist es manchmal schon fast zu viel des Guten und es das Szenario droht unübersichtlich zu werden. Musik gibt es keine, die Soundeffekte scheinen aus der 16- und 8-bit-Homecomputer-Ära zu stammen, passen aber zur Grafik und ergeben mit ihr ein Gesamtbild, dass – obwohl in sich stimmig – der Grafik- und Soundverwöhnte, moderne Gamer wohl nur noch unterirdisch finden kann.

Das Spiel macht dennoch großen Spaß. Dies liegt an der perfekt ausgewogenen Mischung aus visueller Reizüberflutung, forderndem Schwierigkeitsgrad, hinreichend komplexem Punktesystem und abwechslungsreichem und vor allem schnellen Gameplay. Und das sind all die guten Zutaten, die den geneigten Spieler schnurstracks in die »Zone« transportieren.

Fazit:

»Gridrunner ++« hat fast alles, was einen guten Arcadeshooter ausmacht und hätte vor einigen Jahren einen echten Münzschlucker abgegeben. Heute ist es eine fordernde, motivierende und schrille Reise in die Vergangenheit, die meist länger dauert, als ihr zunächst geplant hattet. Und das zu einem ausgesprochen fairen Preis.

Christian Schramm

Verfügbarkeit

Zu haben ist das Produkt bei Llamasoft.

Bilder (klicken für mehr)

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