Indiana Jones und die Legende der Kaisergruft

Akademische Breitseite: Dr. Jones bittet zum Kampf

Es ist noch gar nicht so lange her, da wurden Spiele-Designer für die Entwicklung interessanter und innovativer Konzepte bezahlt und in großen Softwarehäusern arbeiteten Heerscharen smarter Autoren, die abgefahrene Plots für künftige Klassiker schrieben. Eine der herausragendsten Firmen der 80er und frühen 90er Jahre war die Games Division von Lucasfilm, später unter dem Namen LucasArts bekannt. Insbesondere deren Adventures gelten bis heute als definierende Vertreter ihres Genre. Nicht das lustigste, aber vermutlich das beste Point-and-Click-Abenteuer aller Zeiten ist „Indiana Jones and the Fate of Atlantis“. Der Nachfolger von „Last Crusade“ bot dem Spieler gleich drei unterschiedliche Möglichkeiten, das Spiel zu lösen: „Think“ für die Rätselfreunde, „Team“ für Verehrer der bezaubernden Sophia Hapgood und „Action“ für das rustikalere Publikum. Nachdem es „Der Turm von Babel“ niemals auf den Mac geschafft hat, liegt mit „Die Legende der Kaisergruft“ nun Teil 6 der Indy-Story für OS X vor. Hierbei orientiert sich LucasArts hauptsächlich am Haudrauf-Modus des Vorgängers, was sich jedoch nicht zwangsläufig negativ auswirkt, wie wir schauen werden.

Hintergründiges

Es gibt Klischees, die nur im Kontext eines großen Ganzen, einer Heldengeschichte, eines wahrhaftigen Mythos zu ertragen sind. Zu jenen gehört die Tatsache, dass Dr. Henry Jones, genannt „Indiana“, immer und immer wieder obskure Artefakte vor den bösen Nazis retten soll, bevor diese das Wunderding in die Finger bekommen, um die Welt zu versklaven. So natürlich auch in „Die Legende der Kaisergruft“. Diesmal handelt es sich um die Grabbeigaben des ersten chinesischen Kaisers. Genauer gesagt das „Herz des Drachen“, eine Kugel, mit welcher angeblich der menschliche Wille kontrolliert werden kann.

Dokumentation & Bedienung

LucasArts ist seit jeher für außergewöhnliche Bedienungsanleitungen bekannt. Zudem wurden früher den schönen großen Packungen auch lustige Give-Aways beigelegt, z. B. eine kleine Indy-Peitsche. Dies ist bei den heutigen DVD-Hüllen leider nicht mehr möglich, stilvolle Anleitungen liefert Lucas aber nach wie vor: Die Dokumentation zu „Die Legende der Kaisergruft“ wurde wie ein Tagebuch gestaltet und ist ein buntes Sammelsurium von Briefen, Notizen, Zeitungsausschnitten und Karten. Die Einträge sind teilweise handschriftlich oder muten maschinengeschrieben an. Das macht das Handbuch stellenweise schwierig zu lesen – aber es sieht fantastisch aus.

Auf die richtigen Pfade führt der Spieler Indy mittels Tastatur und Maus, wobei eine Zwei-Tasten-Maus zu empfehlen ist, da sich bestimmte Aktionen nur mit der rechten Maustaste ausführen lassen und CTRL-Klick im Hüpf- und Kampfgetümmel etwas hektisch werden kann. Über weite Strecken des Spiels ist die Steuerung präzise und problemlos, jedoch spielt die Kameraführung Indy ab und an böse mit und der Spieler springt oder schwingt ins Nirvana. Einen Vorteil hat dies jedoch: Wir kommen in den Genuss einer melodramatischen Todessequenz, in der im Stile alter Hollywood-Streifen eine schwarze Film-Blende das Ableben des Helden beschließt. Sehr schick. Mit den Pfeiltasten lässt sich des Archäologen Inventar aufrufen, welches zumeist aus unterschiedlichen Waffen, Artefakten oder Karten besteht. Mit dabei ist von Anfang an auch eine Feldflasche, deren Inhalt Indys Lebensenergie auffrischt. An unterschiedlichen Stellen im Spiel gibt es wiederum Brunnen, um diese Flasche zu füllen.

Grafik, Musik & Sound

Der Wind trägt raschelnd Blätter über die gespentisch stillen Schluchten Sri Lankas, in den Schwindel erregenden Höhen des Prager Schlosses schlagen Uhren und das Herz des Spielers, wenn sich Indy am Rande dunkler Abgründe an palavernde Gestapo-Agenten heranschleicht. Und sobald eines der akribisch geskripteten Ereignisse, z. B. das Einstürzen von Brücken, abläuft, steigert sich das Pochen des Spieler-Herzens zum Rasen, begleitet von immer schneller und dramatischer werdender Musik. Clint Bajakian hat aus dem ohnehin schon grandiosen Original-Score von John Williams einen brillanten Action-Soundtrack geschaffen, der in der Lage ist, den Spieler in den zahlreichen stressigen Momenten an den Rand des Wahnsinns zu treiben, nur um ihn nach bestandender Prüfung mit einer heroischen Fanfare zu umschmeicheln. Dazu gibt es sehr solides 3D-Handwerk, filmartige Zwischensequenzen mit Original-Synchronsprechern und facettenreich gestaltete Spielfiguren. Einzig die Texturen in den Untergrund-Levels wirken teilweise etwas lieblos.

Gameplay

„Die Legende der Kaisergruft“ besteht aus zehn Kapiteln, welche wiederum in einzelne Levels aufgeteilt wurden. Der Spielstand wird nach jedem dieser Einzel- Levels automatisch gesichert, eine Möglichkeit, Zeit und Ort des Sicherns selbst zu bestimmen, gibt es leider nicht. Aufgrund des frei wählbaren Schwierigkeitsgrades (Leicht, Mittel und Schwer) wird dieser entscheidende Nachteil etwas gemildert, dennoch steigt der Adrenalin-Spiegel gerade am Levelende rapide an und nicht nur Anfänger werden sich an bestimmten Stellen die Zähne ausbeißen.

Die Auswahl an Schauplätzen ist so vielfältig, wie noch in keinem Indy-Spiel und so begleitet der Spieler unseren Dr. Faust auf Reisen über den gesamten Globus. Los geht’s in den Bergen von Ceylon, wo Indy sich mit korrupten Elfenbeinjägern und hungrigen Krokodilen auseinandersetzen muss. Nachdem der Spieler das Idol von Kouru Watu sicher nach New York gebracht hat, kommt es zum ersten Aufeinandertreffen mit einem Vertreter der chinesischen Regierung und der mysteriösen Schönheit Mai Ing, welche Indy später im Spiel zur Seite stehen wird. Nun gilt es, das Grab des Kaisers vor den Nazi-Schergen zu finden und jede Menge Artefakte fürs Museum zu sammeln. Doch bevor es zum großen Showdown in der chinesischen Unterwelt kommt, spielen wir Globetrotter und bestehen Abenteuer u. a. in Prag, Istanbul und Shanghai. Hierbei wird nicht nur geprügelt, Indy wird immer wieder auch mit Rätseln konfrontiert. Jene erreichen jedoch nicht in Ansätzen das Niveau früherer Episoden und stellen sich meist als simple Schalter-Aufgaben dar. Zu den wenigen positiven Ausnahmen zählen z. B. das Rätsel der „Astrologischen Uhr“ im Prager Schloss, eine Reminiszenz an selige „Fate of Atlantis“-Zeiten.

Fazit:

Das legendäre Vermächtnis der 90er-Adventures wiegt tonnenschwer. Seit Jahren konnte LucasArts keine originäre Spiel-Idee präsentieren und beschränkt sich auf die Ausbeutung alternder 3D-Engines für mittelmäßige Star Wars-Shooter. Umso fataler erscheint es, wenn angesichts dieser Situation hoffnungsvolle Projekte wie die Sequels zu Full Throttle und Sam & Max einfach gecancelt werden. Doch genug der Lamenti über die allgemeine Adventure-Krise: Es wäre ungerecht, Indy und die Legende der Kaisergruft an Meilensteinen aus längst vergangenen Tagen zu messen, wenn die gesamte Spiele-Branche in einem Vakuum der Phantasielosigkeit eingeschlossen scheint.

Der neue Indy ist ein ausgezeichnetes Action-Adventure mit opulenter Grafik, orchestraler Musik und großartigen Kampf-Choreographien, die manchem Hollywood-Regisseur zur Ehre gereichen würden. Hinzu kommt eine verführerische weibliche Hauptrolle, eine spannende Story und sogar das ein oder andere Rätsel. Natürlich ist dies nicht Atlantis, nicht der Thron des Adventure-Olymp, der von Ikonen wie Hal Barwood oder Tim Schafer bewohnt wird. Aber es ist um ein vielfaches besser als den x-ten Tomb Raider-Aufguss oder die Ödnis einsamer Rätsel-Inseln ertragen zu müssen. Und in manchen Momenten, wenn sich Indy, mit einem Artefakt im Arm, mit seiner Peitsche zum Level-Ende schwingt und John Williams Heldenlied erklingt – dann ist ein bisschen zu spüren von diesem alten, großen Mythos. Wir sehen uns 2005 im Kino – vergesst eure Hüte nicht.

Jan Feldkircher

Verfügbarkeit

Zu haben ist das Produkt im macinplay-Shop.

Bilder (klicken für mehr)

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