Jazz Jackrabbit 2

Und wieder einmal befallen mich beim Testen eines Spiels Anflüge von sentimentalen Erinnerungen an »die gute, alte Zeit«. Eine Zeit, in der ich Tage und Nächte vor einem kleinen grauen Kasten zubrachte, die Finger um ein vor Frust angebissenes Joypad gekrallt, bemüht, einen fetten Klempner in blauen Latzhosen vor dem grausamen Tod durch Ertrinken, Verbrennen in der Lava, Kontakt mit einer Schildkröte oder Sturz in einen tiefen Abgrund zu bewahren. Ich habe Stunden, Tage, wenn nicht gar Monate meines Lebens vor 2D-Jump’n’Runs – insbesondere denen mit fetten Klempnern – verbracht. Entsprechend gefärbt wird dieser Test ausfallen. Zum einen, weil ich froh bin, überhaupt die Ehre zu haben, ein Jump’n’Run testen zu dürfen, und das auch noch an einem Mac. Zum anderen, weil 2D-Jump’n’Runs selten geworden sind. Plattformübergreifend. Sogar und leider auch auf den Systemen, auf denen sie eigentlich zu Hause sind: den Konsolen.

Andererseits muss man auch feststellen, dass das Genre zuletzt dermaßen ausgereizt war, dass kaum noch Innovationen möglich waren. »Jazz Jackrabbit 2« ist zum Ende der, äh, Ära der 2D-Jump’n’Runs erschienen und man merkt ihm einen gewissen Mangel an eigenen Ideen deutlich an. So beschleicht einen laufend das Gefühl, diverse Elemente schon mal irgendwo gesehen zu haben. Am ausgiebigsten hat man sich beispielsweise bei einem Igel aus dem Hause »Sega« bedient. Dennoch – und vielleicht auch unter anderem deswegen – macht »Jazz Jackrabbit 2« einen Heidenspaß.

Aufgrund seines Alters lässt sich das Spiel auch noch auf älteren Rechnern installieren. Mindestvoraussetzung ist jedoch ein PPC, System 7.5.3 und 32 MB RAM. Der Hersteller empfiehlt einen ab 100 MHz getakteten PPC 601 oder einen ab 180 MHz getakteten PPC 603. Alles, was darüber hinaus geht, wird natürlich gerne genommen. Interessanterweise läuft Jazz Jackrabbit dank eines Patches nativ unter Mac OS X, hierfür ist dann natürlich ein Rechner von Nöten, der von OS X unterstützt wird.

Die Story des Spiels ist gleichermaßen unoriginell wie nebensächlich: Es geht um die Rettung von Karottus, dem Heimatplaneten der beiden Karnickel Jazz und Spaz. Devan Shell, der Bösewicht des Spiels, der – déja vu – tatsächlich eine Schildkröte ist, führt wieder irgendwas im Schilde – um den Verpackungstext zu zitieren. Kurz zusammengefasst: Jazz besiegt Devan in »Jazz Jackrabbit Teil eins«. Spontan wird die soeben gerettete Prinzessin geheiratet – wie das halt bei Hasen so üblich ist. Die Hochzeit wird von Devan besucht, der klaut den Ehering – um damit eine Zeitmaschine zu bauen, in die Vergangenheit zurückzureisen und dort die Spezies der Hasen zu eliminieren. Die Stiefmutter ist to-tal sauer auf Jazz wegen der verpatzten Hochzeitsfeier und weil Devan immer noch unter den Lebenden weilt, und so landet Jazz im Verließ der Hasenburg, aus der es in den ersten Levels zu entkommen gilt. Noch Fragen?

Falls ja, sollten diese von der sehr flott und gut verständlich geschriebenen Bedienungsanleitung beantwortet werden können. Besonders nett ist eine kleine Passage in den Setup-Hinweisen: »Wenn gar nichts hilft, dann sollte man den »strukturierten 3D-Hintergrund« ausschalten. Normalerweise kann man es aber anlassen, es sei denn, der Computer ist wirklich lahm, also ein PC…«. Ach ja, die guten alten Zeiten…

Nachdem sich das Spiel ohne Schwierigkeiten auf der Festplatte installieren ließ und der Patch, der das Ganze unter OS X laufen lässt, drüber gebügelt wurde, reicht ein Doppelklick auf das Applikationssysmbol, um die Anwendung zum Laufen zu bringen. Zunächst jagen die Logos der beteiligten Entwickler in sagenhaften, vorgerenderten und nahezu endlosen 3D-Sequenzen nacheinander über den Screen, bis im eigentlichen Zeichentrick-Vorspann die süßen Karnickel mit schweren Kanonen bewaffnet possierliche Schildkröten in die Luft sprengen. Glücklicherweise kann man die Show per Escape-Taste vorzeitig beenden. Ansonsten ist nach ungefähr einer Minute ist der Spuk vorbei und der Spaß kann beginnen.

Das Spiel wurde komplett eingedeutscht. Allerdings hat man bei der Übersetzung wohl nicht damit gerechnet, dass einige Wörter der deutschen Sprache bedeutend länger ausfallen als ihr englisches Pendant, was in den Menüs zu lustigen Effekten und beim Benutzer zu baldigen Affekten sowie entsprechender Handlung führt: Er stellt die Sprache wieder auf Englisch. Immerhin, Application Systems Heidelberg entschuldigen sich für diesen Lapsus auch artig in der auf der CD liegenden »readme«-Datei.

Zunächst darf zwischen einem Einzel- und Mehrspielerspiel entschieden werden, als tapferer Einzelkämpfer entscheidet man sich natürlich für den Einzelspieler-Modus, der auch den Kern des Spiels bildet. Der Einzelspieler-Modus gliedert sich in vier Abschnitte. Am Anfang des Spiels lässt sich nur der erste Abschnitt anwählen, sobald dieser gemeistert wurde wird der zweite freigeschaltet und so weiter und so fort. Des weiteren dürfen wir uns entscheiden, ob wir das Spiel lieber mit Jazz oder seinem Bruder Spaz bestreiten wollen. Dies ist insofern entscheidend, als dass die beiden mit unterschiedlichen »Features« ausgestattet sind. Jazz kann beispielsweise durch heftiges Rotieren seiner Lauscher nach einem Sprung mehrere Sekunden durch die Luft fliegen, während Spaz durch seine Fähigkeit, einen »Doppelsprung« auszuführen, in entsprechend höhere Regionen gelangen kann. Wer will, darf noch seine Steuerung frei umkonfigurieren. Das Spiel lässt sich hervorragend mit dem Keyboard spielen, man kann jedoch auch einen Joystick anschließen.

»Jazz Jackrabbit 2« bietet neben dem Einzelspieler-Modus auch noch den bereits erwähnten Multiplayermodus, der mehrere »total scharfe« (Originalton Bedienungsanleitung) Spieltypen bietet, die sowohl über einen Split-Screen, als auch übers Internet sowie TCP/IP oder IPX gespielt werden können. Zur Qualität der Multiplayermodi kann ich – aufgrund unbegründeter Vorurteile potenzieller menschlicher Mitspieler (»Wie, ein 2D-Jump’n’Run?! Nie im Leben…«) – nichts sagen, und heute, vier Jahre nach dem Release des Spiels noch ein offenes Internet-Spiel zu finden, scheint auch eine Glückssache zu sein. Recht umständlich ist leider die Variante, einen eigenen Server einzurichten: Es muss angegeben werden, in welchem Level gespielt werden soll. Da jedoch kein Browser zur Verfügung steht, müssen die Namen der Level eingetippt werden – blöd, wenn man die Namen nicht auswendig kennt. Falls man den Namen kennt und ihn jedoch falsch eingetippt hat, erfährt man dies, wenn das Spiel sich im Anschluss selbst beendet. Naja… Nun wurde mir von den Kollegen gesteckt, dass »Jazz Jackrabbit 2« ein geniales Multiplayerspiel sei. Schenken wir dieser Aussage einfach mal Glauben. Auch wenn ich nach der dritten fehlerhaften Eingabe keine Lust mehr hatte, dies zu prüfen.

Nachdem alle wichtigen Entscheidungen getroffen sind, wirft einen das Spiel auch schon direkt mitten ins Geschehen. Die Grafik ist bunt, das Tempo ordentlich, wenn man die Taste zum Rennen betätigt wird’s geradezu hektisch, die Animationen sind flüssig. Beim Aufnehmen einiger Extras, beispielsweise Schutzschilden oder Gesundheitsboni wird sogar ganz tief in die Effekt-Trickkiste gegriffen, und man darf ein Feuerwerk bestaunen, das man so zunächst nicht erwartet hätte. Besonders schrill wird’s, wenn man hinreichend viele – über den gesamten Level verteilte – Früchte oder Süßigkeiten verschlungen hat und in einen »Zuckerrausch« verfällt. Die Musik ist sehr ordentlich, »Jazz Jackrabbit 2« ist eines der wenigen Spiele, bei denen ich nicht nach kurzer Zeit genervt den Sound abstelle. Anders als in reinrassigen Jump’n’Runs ist ein Beseitigen der Gegner ohne Waffeneinsatz nicht möglich. Entsprechend ballerlastig fällt das Spiel auch aus, was allerdings – meines Erachtens – keine negativen Auswirkungen auf den Spielspaß hat. Die Auswahl an Waffen ist riesig. Vom Raketenwerfer bis zum Einfrierer und Flammenwerfer ist so ziemlich alles dabei, was man so erwartet – oder auch nicht. Die Level strotzen vor Secret Areas. Wer also einmal einen Level gemeistert hat, wird beim zweiten Durchspielen garantiert noch auf beim ersten Durchspielen unentdeckte Regionen oder Extras stoßen. Selbiges gilt natürlich auch für das nochmalige Durchspielen eines Levels mit einem anderen Charakter. Auch ansonsten sorgt das Design der Level dafür, dass keine Langeweile aufkommt, anspruchsvolle Sprungpassagen wechseln mit Highspeedsequenzen und Shooterpassagen. Schwimmsequenzen mit grafisch sehr ansehnlich dargestelltem Wasser dürfen natürlich auch nicht fehlen, und für den besonderen Kick gibt’s in einigen Levels auch noch spezielle Transportmittel wie z. B. eine Art Hoverboard, mit denen sich unsere Helden entsprechend anders durch die Gegend fortbewegen können.

Leider hat das Game aber auch einige Schattenseiten. Zunächst einmal ist da die recht unglückliche Kollisionsabfrage. Des Öfteren muss man einen Treffer einstecken, obwohl man nicht vom Gegner berührt wurde. Des Weiteren fallen in einigen Levels grafische Ungereimtheiten sehr negativ auf. Einige animierte Objekte scheinen ohne Textur, man sieht nur einen schwarzen, wabernden Pixelklumpen, oder die Objekte sind nur teilweise mit ihrer Textur gefüllt. Zwar hat das keinen Einfluss auf ihre Funktion, aber es sieht halt einfach besch…eiden aus. Dieser Bug tritt unabhängig von der verwendeten Grafikkarte – Heureka! Das Spiel läuft auf meiner Voodoo 5 – oder des verwendeten Betriebssystems auf. Zu guter Letzt kommt der schlimmste Fehler, den ich in meinen Testsessions feststellen durfte: Das Spiel vernichtete eines meiner Savegames. Zwar konnte der Spielstand noch geladen werden, man konnte sogar noch Spielen, allerdings bewegte man sich durch bunt zusammengewürfelten Pixelbrei. Daher mein Tipp: Am Besten mehrere Speicherslots pflegen, damit man nach dem unfreiwilligen Verlust des letzten Spielstandes nicht ganz von vorne beginnen muss.

Fazit:

»Jazz Jackrabbit 2« ist ein eigentlich ganz gelungenes, motivierendes Action-Jump’n’Run mit Schönheitsfehlern. Wer den ganzen 3D-Shootern, Rollenspielen und Strategiegames übedrüssig ist und Lust auf ein klassischeres Spiel verspürt, wird mit „Jazz Jackrabbit 2“ garantiert großes Vergnügen haben. Das Spiel ist zwar bunt, aber doch nicht so kitschig knuddelig, dass man es als das typische Kiddie-Spiel titulieren könnte. Wirklich Neues oder Einzigartiges bietet das Spiel nicht, Leute, die die eine oder andere ältere Konsole zu Hause stehen haben, werden des öfteren Elemente aus alten Klassikern wiedererkennen. Allerdings tut dies dem Spielspaß keinen Abbruch. Und vielleicht sind diese Leute ja dafür auch dankbar.

Christian Schramm

Verfügbarkeit

Zu haben ist das Spiel im macinplay-Shop.

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