Kick Off 2002

Ich habe keinen Joystick. Moment, ich revidiere: Ich habe zwar einen Joystick, damals extra für »Terminus« gekauft, jedoch ist dieser Joystick ja fast kein Joystick mehr, sondern ein hoch komplexes, technisches Gerät. Niemals ist mir das negativ aufgefallen. Ehrlich gesagt dachte ich, mit diesem Joystick ein universell einsetzbares Produkt erstanden zu haben, mit dem ich für alle Fälle gewappnet bin. »Kick Off 2002« schreit nun jedoch nach den guten, alten Digital-Joysticks der Marke »Competition Pro« und Konsorten. Im Forum oben angegebener Fan-Site wurde und wird diese Problematik heiß diskutiert. Sogar für Mac-User scheint es die eine oder andere Lösung des Problems zu geben. Allerdings sind diese Lösungen allesamt schon ziemlich »freaky«, dem Ottonormalmacuser wird nichts anderes übrig bleiben, als »Kick Off 2002« mit der Tastatur zu spielen. Oder einem Gamepad, falls vorhanden. Da letzteres bei mir nicht der Fall ist, musste also die erste Alternative herhalten. Und ich kann euch sagen: »Kick Off 2002« mit der Tastatur zu spielen ist eine Qual. Eine echte Qual. Irgendwann ist dann der Punkt erreicht, an dem man ernsthaft zu überlegen beginnt, ob man nicht doch zum Freak werden möchte…

Das original-»Kick Off« erschien bereits 1989 auf dem Amiga, ein Jahr später kam dann nach diversen Erweiterungskits und einem Playermanager der offizielle Nachfolger, dem die »Kick Off«-Reihe ihren Ruhm zu verdanken hat, auf den Markt. Das Spiel war zunächst nur für den Amiga, später dann auch für dessen Erzfeind Atari ST und diverse Konsolensysteme erhältlich. Später gab es dann noch ein »Kick Off 3«, das den Erwartungen der Fans jedoch nicht entsprechen konnte.

Erst jetzt, zwölf Jahre nach dem großen Trubel um »Kick Off 2«, erscheint ein weiteres Sequel, »Kick Off 2002«. Und das erfreulicherweise erstmals auch für den Mac. Wenn wir unseren Kopf über den Mac-Tellerand herausstrecken, stellen wir fest, dass sich seit 1990 vieles getan hat im Bereich der Fußball-Simulationen. Die dritte Dimension hat Einzug gehalten, die Spieler aktueller Fußball-Simulationen bewegen sich mit atemberaubend realistisch anmutender Geschmeidigkeit über den Bildschirm, und die Spielgrafik lässt sich kaum noch von der einer Fernsehübertragung unterscheiden. Um den alten Klassiker in ein vergleichbar modernes Gewand zu kleiden, wäre also ein ziemlich hoher Aufwand nötig gewesen. Glücklicherweise ist man aber primär seiner Linie treu geblieben und hat nicht krampfhaft versucht, »Kick Off« zu einem zweiten »FIFA« aufzubauschen.

Nachdem wir die doofe und billig gestaltete DVD-Packung geöffnet haben, widmen wir uns erst mal der Anleitung. Die hinterlässt einen nicht allzu positiven Eindruck, wirkt hingeschludert. Ganz so als habe man in letzer Minute die Layout-Datei der PC-Anleitung herausgekramt und auf den Mac umgeschustert. Vor lauter Eile hat man beispielsweise vergessen darauf zu achten, ob die in den geänderten Passagen gewählte Schriftart Umlaute unterstützt – Sie tut es nicht. Andere Passagen sind dagegen völlig unverändert und erklären die Konfiguration eines Joysticks in der Windows-Systemsteuerung. Naja. Von diesen eher Betriebsystem-abhängigen Aspekten abgesehen werden alle sonstigen Aspekte des Spiels ausführlich erläutert. Wäre da nicht das oben umschriebene Problem, würde diese Anleitung kaum Fragen offen lassen, doch leider bin ich bei solchen »Kleinigkeiten« empfindlich…

Eine Installation ist erstaunlicherweise nicht unbedingt notwendig, um das Spiel starten zu können: Es läuft ohne zu murren von CD. Will man jedoch Spielstände sichern, ist ein Kopieren des Spielordners von CD auf die Festplatte unvermeidlich.

Der zwiespältige Eindruck, den die Anleitung hinterließ, setzt sich leider fort, wenn man das Spiel unter OS 9 startet. In den Menüs werden zwei Mauszeiger gezeigt, wobei nur einer von beiden gültig ist, beide jedoch mit der Maus zu bewegen sind… Dies ist ein Lapsus, der unter OS X nicht auftritt. Als vollständig carbonisiertes Programm läuft »Kick Off 2002« auch auf Apples Unix-Betriebssystem. Allerdings wird das Programm hier gelegentlich – natürlich unerwartet – beendet. Man kann wohl leider nicht alles haben.

Vom Spiel selbst bekommt man dafür eine ganze Menge geboten. Neben obligatorischen Ligawettbewerb besteht die Möglichkeit, eigene Ligen, Pokalwettbewerbe und WM-Endrunden zu entwerfen und durchzuspielen. Es geht noch weiter: Sogar ein eigenes Team darf – im zugehörigem Editor – entworfen werden, inklusive solcher Details wie Mannschaftsuniform, Stadionname, Aussehen des Balls, Form der Tore und Farbe der zugehörigen Netze. Des weiteren besteht die Möglichkeit, ein Freundschaftsspiel zu veranstalten und – was ich zunächst wärmstens empfehlen möchte – in einem Trainingsmodus die doch sehr ungewöhnliche Steuerung zu verinnerlichen.

Oh ja, die Steuerung. An sich liest sich alles recht simpel: Mit den Cursortasten bewegt ihr euren Spieler und steuert die Flugrichtung des Balls beim Schuss. Schießen, Ball annehmen, Kopfball, Fallrückzieher, sprich: Alle anderen Aktionen werden – was heutzutage ebenso exotisch wie genial ist – mit nur einem einzigen weiteren Knopf ausgeführt. Dennoch garantiere ich, das euch die Steuerung zunächst in den Wahnsinn treiben wird. Als absolute Newbies solltet Ihr, bevor Ihr in »Kick Off« den Rasen betretet,

1. die Spielgeschwindigkeit im Optionsmenü auf »langsam« stellen,
2. die Einstellung Steuerung auf »Anfänger« konfigurieren,
3. unbedingt ein Gamepad (OK) oder einen digitalen Joystick (ideal – Anleitungen und Bezugsmöglichkeiten bei »ko-gathering«) an den Mac anschließen,
4. Beruhigungsmittel bereitstellen.

Nachdem diese vier Voraussetzungen erfüllt sind, habt ihr eine reelle Chance, den Ball irgendwann, nach Stunden härtesten Trainings, in den Griff zu bekommen. Denn das Besondere an »Kick Off« ist, dass der Ball nicht, wie in anderen Fußball-Simulationen, dem Spieler sozusagen am Fuß haftet, sondern durch den Spieler vorwärts »geschoben« wird und dabei autark ist. Bleibt der Spieler beispielsweise stehen, rollt der Ball einfach weiter. Beschließt man, die Richtung zu wechseln und hat gerade den falschen Fuß vorne, läuft der Ball geradeaus weiter und der Spieler rennt in eine andere Richtung. Eine recht realistische Angelegenheit, eigentlich… nur halt sehr schwer zur erlernen. So abschreckend diese Schilderung zunächst klingen mag: Wenn man es einmal im Griff hat, sind unheimlich schnelle, dynamische Ballwechsel möglich, und wenn man schließlich so weit ist, dass man die Spielgeschwindigkeit auf »Kick Off«-Niveau stellen kann, erreicht das Spiel eine Schnelligkeit und Dynamik, die ihresgleichen sucht. Gerade in diesem Zusammenhang ist es interessant zu sehen, dass man sich zwar für eine 3D-Engine entschieden hat, die Perspektive jedoch auf eine – in begrenztem Umfang schwenkbare – Aufsicht beschränkt ist. Ein kleines Spielfeld oben links im Bild zeigt die aktuellen Positionen der Mitspieler, um gezieltes Passen zu erleichtern. Und um eine noch bessere Übersicht zu gewähren, kann man das Spielfeld ein- und auszoomen.

Auch in sonstiger Hinsicht ist das Spiel optisch ein besonderes Phänomen: Nach heutigen Maßstäben gemessen ziemlich simpel, reicht die Grafik aber trotzdem aus, um eine angemessene Atmosphäre zu erzeugen. Sie erinnert sehr an die alten 2D-Fußballspiele, die in der Vogelperspektive gespielt wurden. Man könnte sagen, die Grafik ist eine Reminiszenz an die alten Klassiker. Dennoch wurde hier und da an nette kleine Details gedacht: Von den Zuschauertribünen fliegt Konfetti auf den Platz, im Rasen bleiben nach dem Grätschen Kerben zurück, bei Nachtspiel werfen die Spieler Schatten und bei schweren Verletzungen werden die Spieler auch schon mal mit dem Krankenwagen vom Platz geholt. Alles in allem macht die Grafik trotz ihrer Schlichtheit das Spiel sehr liebenswert.

Der Sound beschränkt sich auf das Notwendigste. Das Publikum johlt eher unauffällig vor sich hin, gelegentlich lässt es sich zu ein paar aufpeitschenden Trommelrythmen hinreißen und nach einem bösen Foul wird gebuht, allerdings lässt die Vielfalt doch ein wenig zu wünschen übrig. Es hätte von allem auch ein bißchen mehr sein können, aber: So reicht es auch. In einem besonderem Fall ist weniger tatsächlich (viel) mehr: Es gibt keine Kommentatoren.

Fazit:

Um die Sache zum Ende und damit auf den Punkt zu bringen: »KickOff 2002« ist in jeder Hinsicht verdammt nah dran an seinen Vorgängern, was es heutzutage zu einem sehr eigenständigen Produkt macht. In jedem Fall hebt es sich vom Gros anderer, bis dato leider noch nicht am Mac erhältlichen Fußball-Simulationen ab und ist deswegen alleine schon einen Blick wert. Das größte Problem des Spiels ist, dass es momentan das einzige »moderne« Fußballspiel am Mac ist, und da das Spiel so anders, im Vergleich zur PC-Konkurrenz fast schon »retro« ist, läuft es dabei akute Gefahr, verkannt zu werden. Denn »KickOff 2002« ist kein Spiel, das versucht, es jedem recht zu machen. Im Gegenteil: Dem Spieler wird schon direkt beim ersten Probekicken klar gemacht: Wenn du dich nicht mindestens fünf Stunden intensiv mit mir beschäftigst, kommst du hier auf keinen grünen Zweig. Folglich ist »KickOff 2002« eher ein Spiel für Leute, die Zeit haben. Leute, denen es nichts ausmacht, erst stundenlang die Steuerung zu verinnerlichen, bevor Spaß angesagt ist. Und Leute, denen die eher durchschnittliche Grafik und der durchschnittliche Sound wurscht sind, weil Sie wissen, dass man davon hinterher, wenn das Spiel in voller Geschwindigkeit läuft, sowieso nichts mehr mitbekommt. Ein klarer Fall für Freaks. Und ich besorge mir jetzt einen Joystick.
Christian Schramm

Verfügbarkeit

Dieser Titel ist bereits vergriffen.

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