Stronghold 3

Vor mehr als zehn Jahren, im Jahre 2001, brachte MacSoft mit »Stronghold« ein bahnbrechendes Echtzeit-Strategiespiel auf den Macintosh. Damals schrieb ich den Testbericht hier für macinplay und war voll des Lobes. Kein Wunder, dass ich mich nun um den ersten Nachfolger, der es wieder auf den Mac geschafft hat, förmlich riss.

Das Spiel besorgte ich mir aus dem Mac App Store und legte gleich los. Erfreut stellte ich fest, dass »Stronghold 3« auf den ersten Blick eine moderne Fassung des alten »Stronghold« ist. Super!, dachte ich. Damals wie heute gilt es in der Wirtschaftskampagne, eine kleine Stadt mit einem funktionierenden Warenkreislaufsystem zu schaffen, die mit militärischen Mitteln gegen allerlei äußere Feinde und mit Zuckerbrot und Peitsche gegen die eigenen Bevölkerung verteidigt wird. Damals wie heute muss in der militärischen Kampagne vor Feinden geflohen werden oder es werden Feinde gejagt, Burgen werden verteidigt oder geschleift. Damals wie heute ist das Spiel gut vertont (es hätte ein paar mehr Musikstücke sein können – die drei oder vier Titel gehen einem nach einer gewissen Zeit ganz schön auf den Zeiger) und besitzt eine zeitgemäße Optik. Damals war es eine seinerzeit aktuelle 2D-Grafik aus reinen Pixeln, heute ist es eine moderne 3D-Grafik aus Polygonen. Unterstützt wird die moderne Fassung durch den Einsatz der Havok-Physikengine, die ganz verblüffenden Realismus in eine Spielewelt zaubern kann.

Doch bei der Aktualisierung auf Polygone und Havok hat Entwickler FireFly leider vergessen, die schon damals existenten Mängel zu beheben: etwa die unglaublich schlechte Steuerung bei der Platzierung von Mauern und Gebäuden und beim Auswählen von Einheiten, Fehler beim Wayfinding (Einheiten bleiben gerne mal in Mauern und Gebäuden stecken oder irren stundenlang umher, bis sie am Zielort angekommen sind) oder den oft unausgewogenen Schwierigkeitsgrad.

Mein Eindruck ist sogar, dass insbesondere die Steuerung sogar schlechter geworden ist: Die Gebäude müssen gelegentlich extrem präzise platziert werden, bevor sie sich setzen lassen. Doch schon das Drücken der Maustaste kann die Platzierung wieder verschieben. Total nervig! Mausklicks im Spielfeld, vor allem aber im Interface, werden oftmals nur sehr träge oder gar nicht akzeptiert. Dabei ist mir nicht klar, ob das ein allgemeines Problem bei der Mauserkennung ist oder ob die benötigte Rechnerleistung in den Interface-Bereichen besonders hoch ist. Die Rechner, auf denen ich das Spiel teste, sind einerseits ein MacBook Air mit 1,6 GHz Intel Core 2 Duo mit 4 GB RAM (da würde ich ein schwächelndes Interface noch akzeptieren), andererseits ein Mac Pro Intel Xeon, dessen acht Rechenkerne mit 3,2 GHz getaktet sind und dem 8 GB RAM sowie eine Radeon 2600 mit 512 MB VRAM zur Verfügung stehen. Hier habe ich bei einem Spiel wie diesem keinerlei Toleranz gegenüber Ruckeln, Haken und allgemeinem Schwächeln.

Ebenfalls schrecklich ist, dass bei den Einheiten teilweise komplett die künstliche Intelligenz vergessen wurde. Man stelle sich vor: Ich spiele eine historische Belagerung (das ist ein Spielmodus, in dem keine Wirtschaft zur Verfügung steht und man mit einer vorgegebenen Zahl Soldaten eine Burg verteidigen oder einnehmen muss). Meine Truppen verteidigen die Burg. Der Feind durchbricht eine Mauer und wird von meinen Armbrustschützen niedergemetzelt. Aus großer Entfernung guckt die Verstärkung des Feindes zu – eine ganze Armee, bestehend aus bestimmt 40 Spielfiguren. Und es passiert – nichts. Nach etwa fünf Minuten wird es mir zu blöde und ich schicke einen einzelnen Schwertkämpfer in die feindlichen Linien. Und dort metzelt er seelenruhig einen Feind nach dem anderen nieder. Alleine. Denn der Feind wehrt sich nicht. Das ist das krasseste Beispiel, aber einzelne Charaktere sind des öfteren verhaltensauffällig.

Was mir ebenfalls nicht gefällt ist, dass das Wirtschaftssystem von »Stronghold« für den dritten Teil drastisch vereinfacht worden ist und so vor allem eins wurde: langweiliger.

Dennoch macht die Wirtschaftskampagne Spaß, wobei ich bei einer Mission schier verzweifelte: Ich sollte eine bestimmte Anzahl Leute in die Stadt holen (und Äpfel und Fleisch oder so etwas einlagern). Alles klappte wie am Schnürchen, doch fehlten mir bis zum Schluss fünf Einwohner. Die wollten einfach nicht dazu kommen. Ich habe alles getan, was ich tun konnte, um meine Stadt attraktiv für Einwanderer zu machen, aber die letzten fünf habe ich nicht bekommen. Nie. An dieser Stelle brach ich die Wirtschaftskampagne also ab und widmete mich der Kriegskampagne.

So schlecht die Wirtschaftskampagne auch ist, die Kriegskampagne spottet jeder Beschreibung. Die ersten paar Missionen sind so lächerlich einfach, dass das Weiterspielen keinen Spaß mehr macht. Urplötzlich steigt der Schwierigkeitsgrad dann derart dramatisch an, dass sich auch der letzte Rest Motivation verabschiedet. Tschüs! Her mit dem Freispiel.

Im Freispiel kann man nach Herzenslust bauen. Doch plötzlich – ich errichtete gerade meine Verteidigungsanlagen – kam die Meldung, dass ich nun nicht mehr bauen könne, da mit 125 Stück das Gebäudelimit erreicht sei. Gebäudelimit?? Nur 125 Stück?? Da fragte ich mich erst einmal, was ich jetzt am besten abreiße, um noch diesen einen Turm bauen zu können. Noch besser die Einheiten: Bei 300 Soldaten ist Schluss. Das mag historisch gar nicht so verkehrt sein, ist aber trotzdem albern.

Ist das ein Bug oder soll das so sein?

»Stronghold 3« leistet sich eine ganze Reihe heftiger Macken, die echt auf keine Kuhhaut gehen. Beispielsweise lässt sich das Spiel mittendrin per Command-Q beenden – ohne Rückfrage. Zack, da ist man im Finder und guckt etwas sparsam. Probiert das bitte nicht aus, bevor Ihr gespeichert habt – es gibt nämlich keine Autosave-Funktion, die etwa alle zehn Minuten, am Ende einer Mission oder beim Beenden speichern würde. Und wenn Ihr manuell einen Spielstand speichern wollt, benutzt bloß keine deutschen Umlaute – das Spiel tut dann nämlich so, als würde es speichern, macht es aber nicht. Ich habe mein Spiel »Militärkampagne« genannt, gespeichert, beendet und bin ins Bett gegangen. Als ich am nächsten Tag weiterspielen wollte, war der Spielstand futsch. Ich dachte erst, dass ich doof sei, aber der Fehler lässt sich reproduzieren. Stronghold 3 ist doof.

Auch Abstürze kommen häufig vor, besonders beim Laden der nächsten Mission während der Militärkampagne. Daher muss man immerzu ein Auge auf den Missionsfortschritt haben: Schnell noch speichern, bevor die Mission beendet ist! Furchtbar. Und dann die Grafikfehler in den Gefechten … Das Burgen Bauen, das in »Stronghold« am Anfang des Jahrtausends noch so viel Spaß gemacht hat, verursacht in Teil 3 der Serie vor allem Frust.

»Stronghold 3« kommt in zwei Versionen daher – eine von der Verkaufsplattform »Steam« und eine aus dem Mac App Store. Die Version von Apples Gnaden kostet 32 Euro und ist verkrüppelt, denn ihr fehlt der Multiplayer-Modus. Wer gegen menschliche Gegner antreten will, muss zwingend zur Steam-Version greifen. Macht aber nichts: Bei Steam bekommt man mehr, zahlt aber weniger. Außerdem ist die App-Store-Version englisch, die Steam-Version deutsch.

Fazit:

»Stronghold 3« ist ein hübsch anzusehendes und sehr gut vertontes Echtzeit-Strategiespiel mit tollem, aber hinreichend bekanntem Spielansatz. Leider krankt das Spiel an einer sehr schlechten Steuerung, irren Wechseln im Schwierigkeitsgrad und einer unglaublichen Anzahl an Fehlern und Nachlässigkeiten. FireFly und Virtual Programming liefern hier hoffentlich schnellstens Fehlerbehebungen nach.

Zum derzeitigen Zeitpunkt – Ende Juni 2012 – kann ich das Spiel überhaupt nicht empfehlen. Wer es dennoch kaufen will, kann es hier bei Steam oder unten im Mac App Store tun.

[appext 526057689]

0 Antworten auf “Stronghold 3

      1. Echt schade, hatte mich sehr drauf gefreut. Dass diese Neuauflagen inzwischen so oft enttäuschend programmiert sind…
        Habe mir z.B. Siedler 7 für Mac gekauft und das startet schlicht nicht.

          1. Das stimmt schon. Man kann sich ja schon mal auf Sim City für den Mac freuen. Ab wann darf man da nochmal ebenfalls vor nicht funktionierenden Servern warten?

            Das Abwracken (durch stümerhafte Programmierung), Simplifizieren, „Verfacebooken“ und Monetarisieren durch In-Game-Käufe beliebter Spieleserien ist aber auch echt traurig. Und die Liste ist voller Prominenz:

            – Stronghold
            – C&C
            – Sim City
            – Diablo

            …um nur ein paar zu nennen.

            Naja, immerhin hat die kommende Playstation ja „endlich“ einen Share-Button, so dass das in Zukunft bestimmt viel weniger wird…

            Aber ich schweife ab – ist vielleicht mal ’ne Kolumne wert 🙂

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