Vikings

Die Welt der Adventurespiele. Faszinierende, jungfräuliche neue Welten, über die noch nie zuvor ein Mauszeiger gerollt ist, warten darauf, vom Spieler erforscht zu werden. Interessante, frische und innovative Rätsel möchten vom Spieler gelöst werden. Geheimnisvolle Charaktere warten in den entlegensten Winkeln darauf, vom Spieler angesprochen zu werden, auf dass sie ihn mit wichtigen Informationen überschütten können…

Adventurespiele sind was Tolles. Theoretisch. Denn in der Realität sieht das alles etwas anders aus: Da gibt es Spiele, die installiert man, startet sie das erste Mal und ist sofort mittendrin – der – leider recht seltene – Idealfall. Es gibt Spiele, die installiert man, startet das erste Mal und findet erst nach mehreren Stunden kaum einen Weg, noch was anderes zu tun – die typischen »Grower«. Es gibt leider auch Spiele, die installiert man, startet ein erstes Mal, dann noch ein zweites Mal und leider kein drittes Mal. Und dann gibt es Spiele, die installiert und startet man, und möchte sie im Anschluss direkt wieder von der Festplatte löschen. Was aber macht man, wenn genau das nicht geht? Wenn man beispielsweise Spieletester bei einer recht großen Webseite und deswegen verpflichtet ist, sich mit so einem Produkt beschäftigen zu müssen? Manchmal ist das Leben hart. So schreibe ich diesen Test, nachdem ich mich zwingen musste, »Vikings« aus dem Hause »Cryo« ein zweites Mal zu starten. Und da dieses Spiel – ist es überhaupt eins? – so wirklich gar keinen Spaß macht, habe ich nach dem Lösen der ersten beiden Rätsel beschlossen, dem immer größer werdenden Bedürfnis nach sinnvoller Beschäftigung nachzugeben und zu… atmen. Man kann mir gerne Faulheit und Inkompetenz vorwerfen, aber sorry: Ist die Folter hierzulande nicht schon lange verboten?

Dieses Spiel hat mich dermaßen gelangweilt, dass ich nicht einmal Lust habe, es in der Luft zu zerreißen. Man stelle sich das vor! Die Tatsache, dass es auf der Verpackung – unter anderem – als Rennspiel (!) angepriesen wird, dass zur Synchronisation nur in etwa zwei Sprecher zur Verfügung standen, die mit Ihrer Stimme die tollsten Sachen anstellen, um die ca. 100 Personen, die es zu sprechen gilt, mit klanglicher Varianz zu versorgen, und dass die Rätsel so ab-grund-tief langweilig sind, nicht einmal dies alles kann den Zyniker in mir zum Schreiben dieses Reviews motivieren.

Euch interessiert die Story? Ja, die gibt es. Dreht sich um einen Wikinger, der die Axt seiner Vorväter suchen muss. Immer noch interessiert? Falls nicht: Sehr schön, da habt ihr Glück. Ihr dürft jetzt direkt zum Fazit scrollen und euch an den tollen Bildschirmfotos erfreuen. Oder was anderes machen. Vielleicht ein bisschen Fingernägel schneiden, das könnte aufregender sein. Im Ernst! Für alle anderen, unbelehrbaren, geht es im nächsten Absatz weiter. Aber behauptet nachher nicht, ich hätte Euch nicht gewarnt…

Also, wo war ich stehen geblieben? Richtig, Story. Die ist eigentlich nur schmückendes Beiwerk für eine Lektion in Wikingerkunde, denn das ist »Vikings« eigentlich: Ein als Computerspiel verkauftes »Was ist Was«-Buch über die Wikinger. Nicht eine, nicht zwei, nein, sage und schreibe drei CDs mit Bildungsauftrag. Wobei man gestehen muss: Wer sich für die Wikinger interessiert und dumm genug war, sich diese CDs anstatt eines guten Buches mit dem gleichen Thema zu kaufen, wird ordentlich mit Wissen bedient. Es wird ein interkatives (…) Lexikon mitgeliefert, in dem man sich über die Kultur und Bräuche der Wikinger schlau lesen kann. Das »Spiel« ist dabei tatsächlich in mehrere Lektionen unterteilt, am Ende einer Lektion – hier Level – gibt’s dann eine Klassenarbeit – hier Rätsel -, in der das vorher hoffentlich eifrig und interessiert angelesene Wissen abgefragt wird. Allerdings haben faule Socken wie ich auch eine Chance, die Rätsel zu lösen, wenn sie die Kunst des »Trial & Error«-Verfahrens beherrschen. Falls das Lösen des Rätsels trotzdem einfach nicht gelingen möchte, kann während des Rätsels auch noch mal im Lexikon nachschlagen werden.

Im ersten Level geht es beispielsweise um das Wirtschaftsleben der Wikinger. Bevor wir uns zum Rätsel qualifizieren, müssen wir allerdings erst die ein oder andere Voraussetzung erfüllt haben. So müssen wir unser Inventar mit Gegenständen und Personen (!) – hier Händlern – füllen, die wir beim Rätsel einsetzen sollen. Haben wir alles beisammen, wird das Rätsel freigeschaltet. Ein Klick auf das Rätselsymbol auf dem Bildschirm, und wir werden zum Rätselscreen geleitet. Ist es nicht famos, dass das Finden der Rätsel so wegweisend simpel gestaltet wurde? Der Luxus geht noch weiter: Anhand eines Balkens am oberen Bildschirmrand lässt sich genau ersehen, welche Aufgaben des Rätsels bereits gelöst sind und welche noch ausstehen. In diesem Falle müssen die Händler auf einer Landkarte in das Land gesetzt werden, aus dem sie ihre Ware beziehen. Wie gesagt: Ein Lösungsbuch liefert das Spiel mit dem beiliegenden Lexikon quasi mit. Schwierig wird’s eigentlich nur, wenn man einen benötigten Gegenstand partout nicht finden will, weil dieser winzig klein irgendwo auf dem Bildschirm versteckt ist.

Zum Abschluss eines Rätsels gibt es zur Belohnung eine Filmsequenz in leider nur passabler Qualität zu sehen. Schade, denn ansonsten ist die Grafik nicht unansehnlich. Leider nur passabel ist auch die Besetzung der Rollen mit Schauspielern, die die tapferen Wikinger darstellen dürfen. Hier nimmt das Spiel dann auch wieder komische Züge an: Ein als Holzfäller verkleideter Hänfling wird als »stark wie ein Bär« bezeichnet, und den »wilden Berserker« im Vorspann hätte ich auch nicht als solchen erkannt, wenn es der Sprecher im Hintergrund nicht zufällig erwähnt hätte und der Schauspieler nicht so eine unverwechselbare Berserker-Grimasse ziehen würde. Die eigentliche Sensation des Spieles ist jedoch die vor Bedeutsamkeit zitternde – und dabei doch maskulin, mit markant gerolltem »r« grollende – Stimme des Eldgrim, die uns erklärt, was wir als nächstes zu tun haben. Die Kombination von Eldgrims bedeutungsschwangerer Stimme und unpassend gewählten Schauspielern sowie dem eklatanten Mangel an anderen – vor allen Dingen guten – Synchronsprechern entwickelt eine ganz eigene, merkwürdige Dynamik, und wenn sich das Spiel nicht so abartig ernst nehmen würde, könnte man wenigstens noch den Trash-Faktor anrechnen. Aber leider…

Fazit:

Noch nie habe ich mich mit einem Computerspiel so gelangweilt wie mit »Vikings«. Vielleicht kann man mit dem Programm tatsächlich Spaß haben, wenn man sich für die Wikinger interessiert. Allerdings möchte ich dann doch eher zu einem Buch raten, das Geld ist damit bestimmt besser angelegt. Das Einzige, was dieses Spiel vor einer absoluten Bewertungstalfahrt bewahrt, ist die Tatsache, dass es einfach nicht abstürzen will. Dieses Spiel ist das ideale Geschenk für Freunde, die man schon immer mal loswerden wollte. Und jetzt: Ab in den Papierkorb damit!

Christian Schramm

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