Competition Pro

›Ding Dong!‹. Nanu? Ich erwarte eigentlich keinen Besuch… Missmutig erhebe ich mich aus dem Sofa und bewege mich zur Tür. Hatte ich was bestellt? Ist es wieder die Tussi von den Stadtwerken, die meinen Stromzähler ablesen will? War gestern Abend die Musik zu laut und der Nachbar will sich beschweren? Ich öffne die Tür und traue meinen Augen kaum: Auf der Fußmatte steht ein alter Freund aus Kindheitstagen: Mein damalig bester Kumpel »Competition Pro«.

Die Überraschung sitzt. Mir klappt der Unterkiefer runter, »Competition Pro« grinst. Meine Güte, hab ich den lange nicht mehr gesehen! Große Freude übermannt mich, und ich falle ihm um den Hals. 16 Jahre sind schon eine verdammt lange Zeit! Das Erste, was ihm auffällt: Wie sehr ich mich in den Jahren verändert habe. Ich wünschte, ich könnte über ihn dasselbe sagen – aber tatsächlich sieht er noch fast genau so aus wie damals. Noch immer steht er sicher auf den selben Gummifüßen, noch immer kleidet er sich schwarz/rot, und gewachsen ist er auch nicht – wobei gesagt werden muss, dass er schon damals zu den kleineren seiner Art gehörte. Ich muss schon ganz genau hinsehen um festzustellen, dass er sich zwei neue, aber recht kleine Buttons zugelegt hat. Und einen USB-Stecker. »Tja, die Zeiten ändern sich halt!« Wie recht er doch hat. »Wer ewig gestrig bleibt, verliert irgendwann gänzlich den Anschluss«. Es dauert ein paar Sekunden, bis bei mir der Groschen fällt. Seinen merkwürdigen Humor hat er offenbar nicht verloren, wie ich erfreut feststelle. Wir lachen laut, und schließlich bitte ich ihn auf ein Bier herein.

Fast Augenblicklich kommen wir auf die alten Zeiten zu sprechen, erinnern uns an gemeinsame Nächte mit den »Gianna Sisters« oder an Wochenendausflüge in die »Maniac Mansion«, nicht zu vergessen die mit meinen übrigen Freunden ausgetragenen Wettkämpfe bei den »California Games«, den »Wintergames« und nicht zuletzt bei »Decathlon«. Was eigentlich unser gemeinsamer Kumpel »C64« mache, fragt er mich. Die Stimmung wird sofort merkwürdig. Ich werde verlegen, und sage schließlich »Gott habe ihn selig«. »Competition Pro« nickt verstehend und erhebt sein halbleeres Bierglas zum Toast auf den »C64«.

Die merkwürdig verlegene Stimmung bleibt jedoch. Ich habe plötzlich das Bedürfnis, mich zu erklären, vielleicht sogar zu entschuldigen. Dafür, dass ich mir schließlich eine Konsole mit Gamepads gekauft und deswegen ihn und »C64« sträflich vernachlässigt habe. Dafür, dass ich mich auch dann nicht mehr bei ihm gemeldet habe, nachdem ich mir schließlich wieder einen Personal Computer gekauft hatte. Und dafür, dass ich zuletzt sogar dachte, er sei ebenso tot wie unser Kumpel »C64«. Dass ich zwischenzeitlich mit analogen Joysticks befreundet war, verschweige ich natürlich – schließlich will ich den Nachmittag nicht völlig ruinieren.

Doch »Competition Pro« ist unkompliziert und robust wie eh und je und winkt dankend ab. »Alles kein Thema – mehr«. Ich bin beruhigt. Während ich mir erleichtert einen weiteren Schluck genehmige, habe ich einen Geistesblitz: »Hey, warum lassen wir nicht die alten Zeiten aufleben?« »Competition Pro« ist begeistert. In wenigen Sekunden ist der Mac gestartet, ein Emulator geladen und das erste Spiel wird gezockt. Es ist fast, als hätte es die 16 Jahre nicht gegeben. Aber eben nur fast: »Competition Pro« bedient sich genauso wie damals. Die Mikroschalter klicken, die Reaktionswege sind kurz, die Steuerung präzise. Aber irgendwie will keine so rechte Stimmung aufkommen. Der alte Kumpel »C64« fehlt halt doch sehr, und irgendwie fühlen wir uns beide, als würden wir Leichen fleddern. Schlagartig wird uns beiden klar: Die alten Zeiten – sie waren schön, aber sie sind vorbei. Ein Emulator bleibt halt ein Emulator: ein virtueller Zombie. Genauso wie die darin laufenden Spiele.

Ich frage mich, warum »Competition Pro« wieder bei mir aufgetaucht ist. Was will der überhaupt von mir? Irgendwie wirkt er einen Moment lang wie ein lebendes Fossil…

Doch dann entdeckt er die umfangreiche Sammlung Freewarespiele auf meiner Festplatte. Schwupps ist »Torus Trooper« geladen und schon sind alle meine Zweifel wie weggefegt. Bei diesem Spiel, dass schon mit Tastatursteuerung ein großes Vergnügen ist, kann »Competition Pro« all seine Stärken ausspielen: Die extrem kurzen Reaktionswege, die Präzision der Steuerung. Sogar die beiden großen Buttons sind mit unterschiedlichen Funktionen belegt. Mich erfüllt riesige Freude darüber, dass man mit alten Freunden in der Gegenwart – mit Spielen aus der Gegenwart – durchaus großen Spaß haben kann. An diesem Abend werden wir die gesamte, für den Mac erhältliche, »Kenta Cho«-Spielepalette zocken – bis auf »Wok« wird Competition Pro von allen Spielen unterstützt. Und das, ohne dass ich eine Software wie »Gamepad Companion« oder »USB Overdrive« hätte installieren müssen.

Na gut, ich will ehrlich sein: ein paar Pausen mussten wir schon einlegen. Da seine Buttons allesamt ziemlich unergnomisch platziert sind, stellten sich aufgrund der unbequemen Handhaltung wiederholt Krämpfe in meiner linken Hand ein. Aber: Das ist nichts Neues, so kenne ich ihn ja schon von früher, den ollen Knüppel. Und, ich muss ihm zu Gute halten: Seine Feuerknöpfe sind für Links- und Rechtshänder gleichermaßen unergonomisch platziert. Das ist Fair.

Fazit:

Um halb vier merke ich schließlich, wie meine Augenlider extrem schwer werden. »Competition Pro« ist umsichtig und bringt mich gar nicht erst in die Verlegenheit, ihn aus der Wohnung komplimentieren zu müssen. Beim Zähneputzen lasse ich den Abend Revue passieren: Ein wenig merkwürdig war es schon. Erinnerungen wurden geweckt, die Erkenntnis, dass nicht nur man selbst, sondern auch die Umwelt älter geworden ist, reift. Interessen verschieben sich. Dinge verändern sich. Man wird ein wenig melancholisch. Vermutlich ist das normal, wenn man alte Freunde wieder trifft. So eng, wie wir früher mal verbandelt waren, werden wir in Zukunft jedenfalls wohl nicht mehr sein. Trotzdem werde ich ihn bestimmt ab und zu anrufen. Spätestens dann, wenn mir wieder der Sinn nach einem Arcade-Shoot ‚em Up steht – denn dafür könnte ich mir wirklich keinen besseren Kumpel vorstellen.

Christian Schramm

Verfügbarkeit

Zu haben ist das Produkt im macinplay-Shop.

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