Driver

In „Driver“ übernimmst du die Rolle des Polizisten Tanner, der als Undercover-Agent in die Tiefen des Verbrechens eintauchen soll. Dein Job ist es, genügend Informationen zu sammeln, um ein Verbrechersyndikat knacken zu können, das sein kriminelles Netzwerk über vier US-Metropolen gespannt hat: New York, Los Angeles, San Francisco und Miami. Dazu bietet sich Tanner im Untergrund als „Wheelman“ als Fluchtwagenfahrer an, und wegen seiner Vergangenheit als Rennfahrer bekommt er haufenweise Angebote, zum Beispiel solche, eine bestimmte Ware, eine Person oder eine Mitteilung innerhalb einer bestimmten Zeit von Ort A nach Ort B zu bringen. Insgesamt werden ihm im Verlauf des Spiels über 40 verschiedene Missionen angeboten.

Das Spiel beginnt in Miami, wo du die Hafenanlagen der Stadt bis ins Detail erkunden kannst, führt dann über San Francisco (erinnerst du dich an die Fernsehserie „Die Straßen von San Francisco“? Da gab es immer diese spektakulären Stunts mit Autos, die sich durch die steilen Straßenschluchten stürzten und dabei gelegentlich die Bodenhaftung verloren) nach Los Angeles, das du bei dunkler Nacht erlebst, und endet schließlich in der Hauptstadt des Verbrechens: in New York.

Vor jeder Mission werden stets etwas schwammige Videoclips, deren Unschärfe wohl vom Playstation-Erbe herrührt, gezeigt, die dem Spieler das Ziel der Mission erläutern. Zum Beispiel „Fahre zu Ort B“ oder „Folge diesem Fahrzeug“. Die englischen Sprecher haben nicht gerade die klassische Aussprache, die einem in der Schule beigebracht wird. Sie ähnelt eher dem „Yo, brother“-Slang aus den Hiphop-Musikvideos sowie der Lingo aus einschlägigen US-Polizeiserien. Freundlicherweise wird der Sermon vom Anrufbeantworter, auf dem Tanners Auftraggeber ihre Anweisungen hinterlassen, bei Beginn der Mission knapp zusammengefasst („Follow him“). Das in diesem Fall zu verfolgende Fahrzeug ist durch einen roten Pfeil kenntlich gemacht, und diese Missionen sind erstens schwieriger als die Transport-Aufgaben, und zweitens auch noch spannender, denn nicht nur die Cops können plötzlich hinter dir her sein, sondern auch das zu verfolgende Fahrzeug fort. Bei Missionen, die da lauten, ein Fahrzeug zu überführen oder Personen von A nach B zu bringen, wird der Endpunkt der fröhlichen Fahrt ebenfalls durch einen roten Pfeil markiert, der sich in ein rotes Ausrufungszeichen verwandelt, wenn die Cops Tanner zu dicht auf den Fersen sind. Dann muss er die Staatshüter noch eben kurz abschütteln (oder verschrotten), bevor er den Wagen stoppen darf.

Natürlich wissen die Kollegen vom örtlichen Polizeirevier nicht, dass du eigentlich einer von den guten Jungs bist, und so finden sie es gar nicht klasse, wenn du mit 120 Sachen durch ihr Revier braust. Hinter irgend einem Billboard hat sich bestimmt eine Patrouille versteckt, die in Situationen, in denen du es wirklich eilig hast und dringend von Ort A nach Ort B musst, sogleich die Verfolgung aufnimmt, um dich an Ort C zu bringen, der weit abseits deines Ziels liegt und aus massiven Stahlbetonwänden besteht. Und nun beginnt „Driver“ richtig Spaß zu machen, denn jetzt geht’s um die Hauptsache des Spiels: Fahren was das Zeug hält. Selbstverständlich darf Tanner mit seinen brisanten Aufträgen nicht von einem ordinären Streifenbullen erwischt werden, denn der könnte in seiner Unwissenheit den hehren Auftrag des Spielers das Syndikat zur Strecke zu bringen nämlich zunichte machen. Und so heißt es: Gaspedal durchdrücken!

Natürlich kann Tanner nur so gut sein wie sein Fahrzeug – steige ein in eines der 70er-Jahre-US-Muscle cars und drück auf die Tube! Wie in den Hollywoodstreifen jener Epoche schlingern die PS-starken und butterweich gefederten Fahrzeuge um Ecken und legen sich in Kurven, verlieren dabei Radkappen und lassen beim Anfahren die Reifen rauchen. Wenn Tanner unglücklicherweise ein anderes Objekt rammt, so deformiert sich erstens das Objekt und zweitens das eigene Auto. Wenn also irgendwann die Kühlerhaube so verbeult ist, dass du im wirklichen Leben nichts mehr sehen könntest, hast du als Spieler gegenüber dem echten Leben einen gewaltigen Vorteil: Du kannst die Ansicht wechseln und einfach weiter fahren. Bei Driver lässt sich die Perspektive jederzeit wechseln, von der Innenansicht (in der man auch nach links und rechts schauen kann, etwa um nach Fluchtwegen zu suchen) in die Verfolgerperspektive.

Falls du eine der vier erwähnten US-Großstädte wie deine Westentasche kennen solltest, könnte es sein, dass du mit „Driver“ einige Déjà vu-Erlebnisse hast, auch wenn das Marketing-Gerede von originalgetreu nachgebildeten Städten etwas übertrieben ist. Neben so herausstechenden Landmarken wie dem Empire State Building oder der Golden Gate Bridge sind die vielen, befahrbaren Straßenzüge recht detailgetreu nachgebildet worden. Außerdem gibt es in allen Städten funktionsfähige Ampeln, die den Verkehr auch tatsächlich steuern. Und wenn du bei Rot einfach über die Kreuzung nagelst, solltest du schon damit rechnen, dass du von einem Bus von links und einem Zweieinhalb-Tonnen-Pickup von rechts gesandwicht wirst. Oder dass dir ein Fußgänger versehentlich vor die Kühlerhaube gerät (was dir aber nicht passieren wird, da diese sich seltsamerweise stets mit einem kühnen Sprint auf die Fahrbahn in Sicherheit bringen können). Denke außerdem daran bevor du Oma Müller vom Fußweg jagst dass du eigentlich auf der lichten Seite des Gesetzes stehst!

Ursprünglich war „Driver“ wie Eingangs erwähnt ein Playstation-Spiel, doch für die Windows-Version wurde die Grafik-Engine komplett überarbeitet, die sofort als veraltet galt, da andere Rennspiele eine bessere Grafik boten. Dennoch: Neben einer Vielzahl an Licht- und Schatteneffekten gibt es wunderschönen Nebel, Regenschauer, gleißendes Sonnenlicht und jede Menge Rauch. Spiegelungen auf dem Lack sind ebenfalls vorhanden, und ein Rückspiegel steht auch zur Verfügung. Da wird es dann schon kritisch, wenn man tatsächlich nur die als minimale Systemanforderung angegebene ATi RagePro-Grafikkarte in seinem Mac stecken hat. Eine Grafikkarte mit mindestens 8, besser aber 16 MB Grafikspeicher tut bei „Driver“ Not, um die vielen dargebotenen Effekte auch wirklich sehen zu können.

Auffallend an der an sich opulenten Optik des Spiels ist bei allem Respekt vor dem Detailreichtum in den Stadtplänen die recht einfache Landschaftsgestaltung die Texturen der Gebäude wiederholen sich einfach zu stark, in jedem vierten oder fünften Häuserblock findet sich die selbe Fassade wieder. Doch was macht das schon bei dem Höllentempo?

Die Umgebungsgeräusche sind schön umgesetzt. Verkehrsteilnehmer, die du elegant ausgebremst hast, pöbeln dir hinterher, während der Regen auf dein Dach trommelt und du gespannt dem Polizeifunk lauschst – falls du ihn hören kannst in all den erstaunlichen Dopplereffekten des Sirenengeheuls. Die Motorgeräusche dagegen enttäuschen. Zwischen den verschiedenen zur Verfügung stehenden Fahrzeugen sind kaum Unterschiede zu vernehmen. Auch die Hupe hat wenig Druck erstaunlich, dass sie Fussgänger wie Autofahrer tatsächlich vor deiner Präsenz warnt.

Das Fahrgefühl mit den US-Schlitten ist schon eigenartig irgendwie treibt mich das Verlangen, mich mit der Karre in die Kurve zu legen und mit meinem Körpergewicht gegenzusteuern, damit die Kiste nicht noch weiter ausbricht. Kurzer Riss an der Handbremse, und schon jage ich in die Gegenrichtung davon. Das Fahrverhalten ist zwar gewöhnungsbedürftig, aber nicht wirklich schlecht, von der oft überraschenden Überwindung der Erdanziehungskraft einmal abgesehen. Problematischer ist da schon eher die Orientierung in den schier endlosen Straßennetzen, während einem die Grüne Minna im Nacken sitzt.

Um die Polizei abzuschütteln, stehen dem Spieler zwei Übersichtskarten zur Verfügung, auf der zum einen die derzeitige Position Tanners, zum anderen der eingangs erwähnte und missionsweise definierte Ort B eingezeichnet ist. Die erste Karte wird je nach den getroffenen Einstellungen auf dem Screen als Ausschnitt des Stadtplans eingeblendet, per ESC-Taste kann man sich aber auch die komplette Karte anzeigen lassen, was bei der ersten Orientierung hilft. Da die Polizei oft genau zwischen diesen beiden Punkten auf der Suche nach Verkehrssündern und Schlimmerem wie etwa dir herumfährt, macht es sich ganz gut, ab und an einen kleinen Umweg zu fahren (jedenfalls, wenn die Zeit reicht). Um nach der Kurbelei durch die Slums der Metropolen wieder auf den richtigen Weg zu finden, leistet die Übersichtskarte gute Dienste, in die alle befahrbaren Straßen eingezeichnet sind. Anhand dieser Karte muss der Spieler sich seinen Weg zum Zielpunkt suchen, um dann unter Zeitdruck loszufahren und seine Mission zu erfüllen. Die großen, breiten Straßen sind schneller befahrbar als die engen Gassen, dafür ist dort auch mehr Polizei unterwegs. Eine Idealstrecke zwischen Start- und Zielpunkt gibt es in den Missionen nicht, da die Cops willkürlich bei Beginn des Spiels verteilt werden und so stets für neue Schreckmomente am Steuer sorgen (wie im echten Leben 😉

Wenn du dein Fahrzeug nicht pfleglich behandelst und zu viele Mülltonnen, Pickups oder Parkuhren über den Haufen fährst, kann es gut sein, dass du die jeweilige Mission noch einmal beginnen musst, weil es sich mit einem auf halbe Länge gestauchten Fluchtwagen mit Motor auf halb Acht nicht sonderlich gut flüchten lässt. Wie schwer du deinen Wagen schon demoliert hast kannst du an einer Skala („Damage“) ablesen. Eine weitere Skala („Felony“ = Kapitalverbrechen) zeigt deine Beliebtheit bei der Staatsanwaltschaft an je höher der Pegel, desto mehr solltest du dich vor den Autos mit den bunten Lichtern auf dem Dach hüten. Und diese Jungs sind manchmal pfiffig und errichten mitten auf deinem Weg eine Straßensperre, durch deren Mitte es sich bei geschickter Fahrweise übrigens ohne eine Schramme schlüpfen lässt.

Neben dem eigentlichen Spiel entlang der Story gibt es noch weitere Modi, in denen du verfolgt wirst oder verfolgen musst, nicht geschnappt werden darfst, die Geschicklichkeit beim Umfahren von Hindernissen unter Beweis stellen musst, auf mehrere Arten Checkpoints abfahren sollst und besonders spaßig innerhalb nur einer Minute möglichst viel Schaden anrichten musst. Im Free Style-Modus „Take a ride“ lassen sich einfach die Städte erkunden, ohne Stress, ohne Hektik ganz entspanntes Fahren im Chaos einer Großstadt. Doch Vorsicht ist auch hier geboten nichts ahnend kann einem plötzlich wieder ein Wachtmeister im Nacken sitzen.

Ein sehr nettes Feature an dem rasanten Verfolgungsspiel ist die Möglichkeit, die wilde Flucht vor der Polizei als Film aufzuzeichnen und nach Beendigung einer Mission zu bearbeiten. So lassen sich zum Beispiel die Kameras an andere Stellen setzen und ihre Winkel ändern. Der komplette Film kann geschnitten und editiert werden. Und natürlich gespeichert, um später damit anzugeben.

Machen wir uns aber bei all den schönen Dingen nichts vor: „Driver“ ist ein Spiel, das schon veraltet war, als es auf den PC kam. Für Sonys Playstation kam es Anfang 1999 heraus und verkaufte sich bombig, auf den PC kam es im Herbst des selben Jahres und war dort ein nur noch mäßiger Erfolg, da es das Erscheinungstermin-Wettrennen gegen den Kontrahenten „Midtown Madness“ von Microsoft verloren hatte und mit dem Makel der Playstation-Portierung zu kämpfen hatte.

Daneben hat das Spiel, so viel Spaß es auch macht, auch noch einige programminterne Probleme. So kann es vorkommen, dass Tanners Wagen auf eine erhöhte Grünfläche katapultiert wird, von der er nicht mehr herunterkommt. Das sind dann auch die Situationen, in denen massive Clipping-Probleme das Spiel beherrschen. Einmal bin ich nach dem Aufprall eines Polizeiwagens durch eine Hauswand auf einem Berg in San Francisco „getunnelt“, um mich danach in einer blauen Umgebung wiederzufinden, in der der Wagen sich sanft überschlagend dem Grund des Meeres entgegentaumelte, bevor die Meldung erschien, dass ich meinen Wagen zu Schrott gefahren habe. Solche Dinge passieren zwar nicht immer, aber wenn sie passieren, sind sie ausgesprochen enervierend.

A propos enervierend: Jedes Mal, wenn man im Spielmenü etwas auswählt, vergewissert sich „Driver“ mit der stereotypen Frage „Are you sure?“, ob man wirklich abbrechen, den Film-Editor oder die Mission starten will. Jedes einzelne Mal. Nach einer Zeit geht einem das ganz schön auf den Sender, und ich habe mich tatsächlich dabei ertappt, dass ich meinen unschuldigen Rechner anschrie: „Ja, verdammt noch mal, ich BIN sicher!“

„Driver“ hat noch weitere Haken. Die Steuerung funktioniert lediglich digital, das bedeutet, dass ich entweder geradeaus oder scharf abbiegen kann. Eine sanfte Kurve, etwa um Gegenverkehr auszuweichen, bietet das Spiel nicht. Auch das Beschleunigen und Abbremsen beschränkt sich auf Vollgas geben oder in die Eisen gehen.

Auch ist der Frustfaktor ziemlich hoch anzusetzen, denn so mancher ist alleine schon an der Aufnahmeprüfung des Syndikats – einer einminütigen „Zeig-uns-was-du-draufhast“-Fahrt in einer Tiefgarage – gescheitert. Die Missionen, die danach folgen, sind ebenfalls alles andere als leicht, zumindest für Fahranfänger am Mac. Glücklicherweise gibt es Cheats, also Mogelmöglichkeiten, die nach und nach in einem eigens vorhandenen Menü an- und abgeschaltet werden können.

Fazit:

Wer etwas andere Autofahrten schätzt, wer also nicht gerne im Kreis herumfährt und auch gerne mal seine Radkappen verlieren mag, der wird mit „Driver“ sicherlich viel Spaß haben. Schön ist der „Take a ride“-Modus, in dem man ungeniert durch die Stadt fahren kann, um sich alles anzusehen. Am meisten Spaß aber macht mir der „Carnage“-Modus, in dem sich mein destruktiver Charakter eine ganze Minute lang voll entfalten kann. 🙂

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