Hollow Ground

„Hollow Ground“ ist das Shareware-Spieledebüt einer kleinen schwedischen Softwareschmiede namens AESCAPIA AB. Beschrieben wird das Spiel als „Real Time Tactical Third Person Shooter“, aber „Endzeit-Dungeon-Crawl“ ist vielleicht der passendere Begriff. Ist das Spiel trotz dieser sperrigen Begriffe ein gelungener Erstling?

„Gauntlet“ trifft „Fallout“. Das war mein erster Gedanke, als ich Hollow Ground zum ersten Mal sah. Das Spielprinzip sah dem Arcade-Klassiker „Gauntlet“ zum Verwechseln ähnlich und das düstere, apokalyptische Endzeitszenario dürfte „Fallout“-Veteranen ebenfalls bekannt vorkommen. Das sollte aber kein prinzipieller Makel sein, denn das düstere Szenario sagt mir persönlich durchaus zu und das genial einfache Dungeon-Crawl-Prinzip von „Gauntlet“ hat auch heute nichts von seinem Charme verloren. Jetzt musste das Spiel aber noch beweisen, dass es neben all dieser Inspiration auch den Spielspaß von seinen berühmten Paten geerbt hat.

Wie erwähnt spielt „Hollow Ground“ in einer düsteren Endzeitzukunft, ähnlich der Welt von „Fallout“. Die Geschichte ist schnell erzählt: In einer düsteren Zukunft müssen sich vier Wagemutige durch die Tunnel der Verbotenen Zone kämpfen, angefüllt mit Mutanten, Riesenspinnen und anderen Monstern. Immer tiefer müssen sie hinabsteigen, um schließlich die Quelle all dieser Monster aufzuspüren und zu vernichten.

Das Spielprinzip von „Hollow Ground“ ist bestechend einfach, eigentlich schon an der Grenze zu primitiv: Laufe durch den Level, töte alles, was sich bewegt und finde den Ausgang!

Angereichert wird diese Formel durch einige Besonderheiten: So gibt es Monstergeneratoren, die laufend neue Monster ausspucken und die man besser schnell zerstört, um den stetigen Gegnerfluss zumindest ein wenig abebben zu lassen. Bestimmte Bereiche sind durch Türen abgesperrt, die mit Schlüsseln oder Schaltern erst geöffnet werden müssen. Automatische Verteidigungssysteme, die teilweise erst nach einem bestimmten Zeitraum aktiviert werden, sorgen für zusätzliche Herausforderungen. Ausserdem bereitet die Umgebung selbst mit Säure, austretendem Gas und radioaktivem Müll zusätzliches Kopfzerbrechen. Das Bestiarum ist mit zahlreichen Mutanten in verschiedensten Formen besetzt von übergrossen Muskelbergen bis hin zu seltsamen Echsenmenschen und auch Riesenspinnen tummelt sich allerhand Absonderliches in den grossen und sehr umfangreichen Levels, die übrigens mit über sechzig Stück sehr zahlreich sind und damit Langzeitspass versprechen. Ganz nach Klischee sind die Gegner alle augenscheinlich nicht nur strahlen- sondern auch hirngeschädigt und torkeln ohne Taktik stur auf einen zu. In diesem Fall macht das aber gar nichts, die grosse Masse an Gegnern sorgt für die Herausforderung und eine langsam auf einen zustapfende Mutantenhorde ist meiner Meinung nach sehr stilecht und sorgt für die richtige Stimmung und erhöhten Adrenalinspiegel…

Man kann im Spiel zwischen vier Charakteren wählen, alle mit unterschiedlichen Stärken und Schwächen und jeder mit seinem eigenen Waffenarsenal:

• Donna Black ist ein cybernetisch aufgemotzter Strassensamurai. Sie ist schnell und nahkampfstark. Sie besitzt als Waffen Shuriken, ein Kettensägenschwert, Spezialshuriken, die an Wänden abprallen und ein Elektroschwert.
• Russel Blake ist ein klassischer „Road Warrior“, der besonders versiert mit Sprengladungen ist. Er benutzt als Waffen neben Pistolen, abgesägten Schrotflinten und einer Klingendisk auch einen Mörser und kann damit als einziger über Wände hinwegfeuern.
• Ein Ex-Marine mit dem illustren Namen Walter Sturmbrand trägt neben einem großkalibrigen Arsenal bestehend aus einem Sturmgewehr, einem Flammenwerfer, einem Laser und einem Raketenwerfer auch eine dicke Panzerung, außerdem ist er der beste Schütze.
• Der Letzte im Bunde, Mortimer Kane, trägt keine normalen Waffen, sondern bedient sich alleine seiner psionischen Fähigkeiten. Neben den aufsammelbaren PSI-Kräften (die er viel besser beherrscht als alle anderen) kann er PSI-Geschosse, spezielle zielsuchende PSI-Schüsse, den fast obligatorischen Feuerball und eine Art PSI-Wirbel um sich herum erzeugen.

Neben einem reichhaltigen Waffenarsenal kann jeder Charakter auch auf PSI-Kräfte zurückgreifen. Diese werden in den Leveln eingesammelt, man kann aber immer nur eine gleichzeitig transportieren, findet man eine Neue, muss man die alte dafür ablegen. Darunter finden sich neben großflächigen Angriffen auch Unsichtbarkeitskräfte und Teleporter.

Ausserdem finden sich in den Levels auch noch neben den obligatorischen Medipacks und Bonuswaffen auch Credits, mit denen man vor jedem Einsatz neue Waffen und Ausrüstung kaufen kann. Allerdings trägt man alle seine Gegenstände, seine Gesundheit usw. von Level zu Level, außerdem muss das gesammelte Geld auf alle Charaktere verteilt werden. Da ist etwas Planung und Taktik beim Auswählen und Ausgeben gefragt.

Ganz in alter „Gauntlet“-Tradition besteht die Gesundheitsanzeige aus einer Zahl, die bei Feindkontakt und Beschuss stetig kleiner wird, bis der Charakter bei Null sein virtuelles Leben aushaucht; für dieses Spiel kann man ihn nicht mehr anwählen und man muss mit den verbliebenen Mitstreitern weiterkämpfen. Sind auf diese Weise alle vier Charaktere gestorben ist die Mission gescheitert und das Spiel zu Ende. Nebenbei dient der Gesundheitszähler auch als Timer, denn jede Sekunde verliert man wertvolle Gesundheit, Verschnaufpausen sollte man also besser nicht einlegen…

Interessanterweise macht „Hollow Ground“ ein Versprechen wahr, auf das viele Action-Spieler warten und das bisher nur von „Red Faction“ in Ansätzen erfüllt wurde: Eine vollständig zerstörbare Umgebung! Jaja, das Ganze läuft offiziell immer unter Begriffen wie „interaktive Umgebung“ oder „realistische Physik“, aber mal ehrlich: Im Endeffekt wollen doch alle nur möglichst spektakulär was in die Luft sprengen…

In „Hollow Ground“ kann man beliebige Wände mit Sprengladungen wegbomben, die gesamte Umgebung wird dabei in Mitleidenschaft gezogen. Dadurch eröffnen sich ungeahnte Möglichkeiten, so kann man, um bestimmte Areale zu erreichen, entweder den langen und gefährlichen normalen Weg suchen, oder einfach eine störende Wand einreissen. Der vollständigen Zerstörung eines jeden Levels steht zwar die äußerst geringe Zahl an verfügbaren Sprengladungen entgegen, nichtsdestotrotz ein wirklich beeindruckendes Feature, dessen Beispiel andere Entwickler folgen sollten.

Insgesamt macht das eigentlich simple Spielprinzip erstaunlich viel Spaß, man kehrt immer wieder gerne in den „Hollow Ground“ zurück, um noch mehr Mutanten zu erledigen und mit vier Charakteren, den vielen Ausrüstungs- und Waffenoptionen und vielen Geheimnissen in den zahlreichen Leveln ist auch genügend Langzeitmotivation da.

Den guten Gesamteindruck trüben nur zwei Kleinigkeiten, die etwas nerven:

Es gibt in den Leveln vereinzelt Kartenterminals, an denen man eine Karte der teilweise doch wirklich riesigen Level aufrufen kann, um sich zu orientieren. Ärgerlich finde ich, dass man die Karte nur an den Terminals abrufen kann, eine Variante, dass die Karte nach einem „Download“ vom Terminal ständig zur Verfügung steht, würde die Übersicht manchmal erheblich erleichtern. Das andere Ärgernis ist das Fehlen eines Laufmodus. Selbst die schnellen Charaktere staksen doch recht gemütlich durch die Gänge, Irrwege und Erkundungsgänge können so zum zeitaufwändigen Geduldsspiel werden, außerdem verliert man ja ständig Energie dabei…

Wem die Katakomben von „Hollow Ground“ alleine zu gefährlich sind, kann sich mit einem Freund zusammen hineinstürzen. Zu zweit den Monstern die Stirn bieten macht wirklich Spaß und ermöglicht interessante Taktiken, um etwa die Fähigkeiten der Charaktere optimal zu kombinieren. Eine wirklich vertane Chance ist allerdings, dass man nur zu zweit spielen kann. Bei vier Charakteren hätte sich ein Vierspielermodus doch geradezu angeboten und hätte zusammen mit einer variablen Monsteranpassung je nach Spielerzahl für den ultimativen Multiplayerspaß gesorgt.

Die Grafik ist funktionell und kein optisches Feuerwerk, denn anstelle auf den heute fast obligatorischen 3D-Zug aufzuspringen, spielt sich „Hollow Ground“ vollständig aus einer 2D-Topdown-Sicht. Das Ganze erinnert an den Klassiker „Chaos Engine“, Retro-Fans werden sich freuen. Schade ist, dass die Animationen nicht so zahlreich sind und nicht so viel hermachen, das ist aber in erster Linie ein Problem der Top-Down-Sicht, schließlich kann man von direkt oben an Bewegungen vor allem nur die bewegenden Füße sehen, so spannend ist das nicht… Schade ist auch, dass man nicht aus dem Bild heraus- oder ins Bild hineinzoomen kann, sondern auf den Standard-Bildausschnitt beschränkt ist. In manchen Levels hätte das der Übersicht enorm geholfen.

Es gibt aber auch Gutes zu berichten, denn die Grafiken sind mit Liebe zum Detail gemacht, man kann etwa die unterschiedlichen Waffen der Charaktere erkennen, besiegte Monster bleiben liegen und für die Charakterbilder wurde eigens ein Comickünstler engagiert, dessen Bilder gut zur düsteren Stimmung des Spiels passen.

Ein echtes Highlight ist dagegen die Musik des Spiels. Der treibende Technosound passt hervorragend zum Szenario und trägt enorm zur düsteren Stimmung bei. Den Vergleich mit den Soundtracks von „großen“ Spielen braucht „Hollow Ground“ dabei nicht zu scheuen. Die Soundeffekte sind unauffällig, unterstützen die Atmosphäre aber angemessen.

Der Mangel an spektakulärer Technik hat aber einen sehr angenehmen Nebeneffekt: Das Spiel ist für heutige Verhältnisse sehr genügsam und läuft auf so ziemlich jedem G3-Mac flüssig und ohne Probleme. Auch positiv ist die gute und sofort funktionierende HID-Unterstützung unter Mac OS X für Gamepads, das ist leider nicht immer selbstverständlich.

Fazit:

„Hollow Ground“ hat mit „Fallout“ und „Gauntlet“ berühmte Vorbilder und übernimmt viele Elemente aus diesen beiden Spielen. Glücklicherweise gehört der Spielspaß ebenfalls dazu, außerdem beinhaltet „Hollow Ground“ auch einige eigene, frische Ideen. Am Ende steht ein gutes, unkompliziertes Actionspiel, das Freunde des gepflegten Monsterplättens, die keine Fantasywelten mehr sehen können, unbedingt mal ausprobieren sollten.

Das Spiel ist 2008 in einer Neuauflage herausgekommen.

Boman Hwang

Verfügbarkeit

Zu haben ist das Spiel bei AESCAPIA AB.

Screenshots (klicken für mehr)

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