Real Life: Celtic Ireland

Im Team-Assault-Mode haben sich Bela und ich zwei Wochen lang durch die Total Conversion „Celtic Ireland“ geschlagen, um eine halbwegs vernünftige Rezension hinzubekommen. Da die Map ganz schön groß war, haben wir uns mit dem westlichen Ende begnügt, um einen Eindruck zu erhalten. Die beiden Teilmaps, in denen wir uns vorzugsweise aufhielten, waren „Mayo“ und „Galway“. Unsere Enter- und Exit-Area lag etwas südlich davon („Shannon Airport“), doch mittels Teleporting-Device („Bus Éireann“) kamen wir recht schnell in unsere Zielregion, wo wir vornehmlich zu Fuß unterwegs waren (obwohl das Mod das Nutzen von Fahrzeugen einfach macht – Daumen raus, und bald hält ein Bot an, der dich mitnimmt). An vielen Stellen der Map finden sich schöne Sniper-Spots, an denen es sich prima campen lässt. Auf Entfernung haben wir jede Menge Bots einer anderen Class gesehen (merkwürdige Skins haben die meisten da – vier von fünf dieser Class sind weiß und wollig und machen „määäh“, die übrigen sind schwarz-weiß und wollig und machen „wäff“), aber mangels Feuerwaffen und Ammo (wir haben die Respawn-Punkte einfach nicht gefunden und hatten nur unsere Initial-Weapon, beidseitig geführte „Leki“, eine Waffe, mit der vorzugsweise Ameisen-große Bots gefraggt werden) nicht fraggen können. Wobei wir einen gefraggten Bot mit Fuchs-Skin gesehen haben – seine Gibs lagen noch quer über die Straße verteilt. Doch scheinen die anderen Player auf Gotcha statt auf Raketenwerfer oder Railgun abzufahren – die weißen, wolligen Bots hatten fast alle grüne, blaue und rote Farbkleckse auf ihren Texturen (oder waren das die Teamfarben? Unsere Teamfarbe war jedenfalls ganz un-Mac-like „beige“, und wir waren auch *nicht* transluzent – obwohl unsere Models gelegentlich zum „Mr. Wet-T-Shirt“ mutierten und daher unsere Texturen ganz schön hingen).

A propos Texturen: Die Grafik, in der wir uns da in der First-Person-Sicht bewegt haben, war phä-no-me-nal. Okay, es war von der Farbgebung her schon eine ziemlich einfache Map, bloß Grün-, Grau-, Blau- und Brauntöne, aber diese Nebel! Diese Wettereffekte! Diese Lensflares und Lightings! Diese Advanced Geo-Mod-Engine! Wenn du durch’s Gras schleichst, bewegt sich jeder Grashalm, du kannst sogar einen ausreißen! Wenn du auf einen Berg steigst, schlittert unter dir das Geröll weg! *Das*, liebe Leute, waren erstmals vernünftige Kollisionsabfragen, ganz ohne Clipping-Probleme. Sogar der Bodenschatten wies keinerlei Artefakte auf (und wir haben ganz genau hingeschaut). Wir konnten vom Hersteller unter der Hand erfahren, welche Technologie er für die Effekte einsetzt. Sie nennt sich „Creation“ („Schöpfung“), aber nicht weitersagen, bitte.

Interessant ist, dass die Map, in der wir uns bewegten, kompatibel ist zum Aufbaustrategiespiel „19th Century’s Europe“, und dort als eigene Mission zur Verfügung steht. Diese Mission ist die härteste des ganzen Spiels und nur von Spielern im God-Mode lösbar. Den God-Mode kannst du in diesem Spiel aber praktisch nicht erreichen, und cheaten ist auch nicht möglich, doch das Mission-Briefing geht so: Das Spielfeld ist eine Insel, die überwiegend unfruchtbares Moor als Terrain bietet, dazwischen jede Menge Felsbrocken. Es gibt ein paar Gebiete, in denen du Kartoffeln anbauen kannst, im Rest des Landes laufen nur Schafe und wenige Kühe rum. Import- und Exportmöglichkeiten sind gering. Du hast kaum Häfen, und die Verbindungen zwischen deinen Städten und Dörfern sind schlecht entwickelt. 99 % deiner Bewohner leben von Landwirtschaft und hängen von der Kartoffel ab und kennen nur die zehn oder zwanzig Meilen um ihr Dorf herum. Und nun bricht die Kartoffelpest aus und vernichtet jahrelang jede Ernte und jedes Saatgut. Den Rest der Welt interessiert deine Insel und das Schicksal ihrer Bewohner nicht. Ziel der Mission: Rette so viele Insulaner wie möglich.

Bis der Spieler rausgefunden hat, dass die einzige Chance, die Mission halbwegs zu meistern, darin besteht, massenhaft Leute per Schiff nach Amerika zu verfrachten, sind mindestens ein bis zwei Millionen Insulaner verhungert, genau weiß man’s am Ende des Spiels nicht, weil selbst der Rechner die Verhungerten irgendwann nicht mehr zählen kann. Solche Spiele gehören doch echt verboten. Den Nachfolger hat es ja auch erwischt: „20th Century’s Europe“ mit dem Add-On „Evil Empires“ (da nennt sich die schwierigste Map dann „Crushed Poland“, ist ziemlich blutrünstig und in Deutschland mittlerweile indiziert). Erst das Add-On „Break On Through“ hat dann den Ruf der „Real Life“-Strategiespiele wieder heben können. Und dann habe ich gehört, dass auch schon „21st Century’s Europe“ in Arbeit sein soll – aber das sind wohl bloß Gerüchte.

Wo war ich? Grafikleistung, richtig. Also wirklich, die Wettereffekte haben uns am meisten überrascht. Die Standard-Wetterengine leistet doch normalerweise nur „Bewölkt“, „Sonnig“ und „Regnerisch“ in leichten Abstufungen, aber die Engine dieser Total Conversion leistet viel, viel mehr. So ist mir noch nie die Einstellung „Nieselregen waagerecht von vorn“ untergekommen, und auch noch nicht „Sprühnieselnder Hochnebel“. Zumal die Standard-Engine ja kaum in der Lage ist, Wetterwechsel in einigermaßen akzeptabler Zeit zu berechnen – doch die Total Conversion „Celtic Ireland“ zaubert dir nach Wunsch alle ein oder zwei Stunden ein komplett anderes Wetter ins Spiel. Da gibt’s zum Beispiel die Einstellung „All Seasons in One Day“, was auch die Default-Einstellung der Conversion ist (was aber verwirrt, weil „Celtic Ireland“ lediglich drei Jahreszeiten featured – der Winter ist irgendwie verlustig gegangen. Vielleicht ist die Wetter-Engine doch nicht so gut).

Cool übrigens ein weiteres Feature: Sobald das Wetter einen bestimmten Nässe- oder Windgrad übersteigt, kannst du aus deinem Rucksack ein spezielles so genanntes „Weather Gear“ herausziehen, was dein Model vor bestimmten Einflüssen schützt. Es ist zweiteilig und besteht aus einer farbenfrohen Jacke und einer schwarzen Hose, beide kannst du auch separat anlegen. Die Teamfarbe bleibt über die (in unserem Falle beigen) Caps aber nach wie vor sichtbar, außer beim Wetterlevel „Sturmgüsse von Achtern“, da verschwindet auch die Cap unter einer Kapuze.

Die Bots verhalten sich je nach Class unterschiedlich, und die Pfade, auf denen sie sich bewegen, sind außerordentlich gut ausgearbeitet. Verschiedene Classes haben auch verschiedene Affinitäten zum Terrain: In der Class, aus der auch unsere Models stammten („Humanoid“), bewegt man sich mit Vorliebe auf festen „Roads“ und „Ways“, auf denen schnelle Schritte und sogar Fahrzeuge möglich sind. Die Class mit den weißen, wolligen Models („Paranoid“) dagegen nutzt ebenfalls gerne Roads und Ways, zieht sich aber bei Kontakt mit der Humanoid-Class blitzschnell auf das moorige Terrain zurück, wo sie sich erheblich schneller fortbewegen kann als ihre potenziellen Fragger. Beide Bot-Classes laufen frei herum. Besonders die Bots der Humanoid-Class versuchen dabei permanent mit dir zu kommunizieren, durch Handzeichen durch die Windschutzscheibe, durch (lippensynchrone!) Ansprache, oder durch Körperkontakt. Diesen Bots stehen keine sichtbaren Waffen zur Verfügung, außer dem Model „Garda“, das aber selten anzutreffen ist. In einem der über Drittanbieter zu beziehenden umfangreichen Handbücher zu „Celtic Ireland“ haben wir dann gefunden, was die Handzeichen durch die Windschutzscheibe heißen: „Hello.“

Die lippensynchrone Ausgabe der Sprache sieht zwar toll aus, aber dafür ist das Englisch, das diese Bots sprechen, selbst für das geübte Ohr gelegentlich schwer zu verstehen. Doch die KI der Conversion merkt selbst das und stellt sich drauf ein: Wenn du dein Model oft genug „Huh?“ sagen lässt, schaltet der mit dir sprechende Character einen Gang zurück und spricht mit dir, dass es jeder mit ein bisschen Fantasie versteht: „You drinky-drinky Guinness?“

Körperkontakte enden übrigens meist wieder in Ansprache: „Oh, she has ruined your pants, hasn’t she?“

Gewöhnungsbedürftig ist, dass die Fahrzeuge alle auf der falschen Straßenseite fahren. Diesen offenkundigen Programmierfehler muss der Hersteller in der nächsten Version unbedingt beheben! Man riskiert stets beim auf die Straße treten, dass man Damage erleidet. Damage kann übrigens auch dann entstehen, wenn man über einen der niedrigen Steinwälle klettern will (eine Struktur, die sich überall wieder findet). Die Wälle sind mit hinterhältigen Fallen bestückt: Entweder brechen einzelne Steine aus der Mauer, oder aber Rosen- und Brombeerranken schlagen deinem Model entgegen. Oben auf den Mauern findet sich gelegentlich als Variation auch Stacheldraht, der aber lediglich die kleinen weiß-wolligen Models abschreckt.

Zur Audio-Engine noch was: Der Sound war kristallklarer Standard. Ja, er kam aus allen Richtungen, ja, man konnte den Kieslaster noch hören, wenn er auf der falschen Straßenseite angebrettert kam. Allerdings klang die Soundengine insgesamt rauschfreier als im eigentlichen Spiel „Real Life“ etwa auf der Map „Hannover-Messeschnellweg“ oder „Frankfurt-City“. Vergleichbar ist „Celtic Ireland“ soundtechnisch in etwa mit den Maps „Spreewald“ oder „Emsland“.

Interessant ist das Interface: Gelegentlich tauchen Richtungspfeile auf, die den Spieler auf eine neue Route hinweisen. Oft stehen auch Kilometer- oder Meilen-Angaben dabei, einmal etwa der Hinweis zu einem Sniper-Platz, der in 16 km Entfernung (ja, die Map ist *wirklich* groß!) sein sollte. Nach gefühlten zwölf oder 13 km kamen wir an das nächste Schild, dass der Sniper-Spot nunmehr noch acht Kilometer entfernt sei. Nach weiteren gefühlten zehn Kilometern waren es dann noch vier, und nach weiteren zehn Kilometern waren wir dann da. Auch die Overview-Funktion trügt gelegentlich mit seinen Darstellungen: Die Straßen sind *nicht* so gerade, wie sie darauf aussehen…

Fazit:

Alles in Allem ist „Celtic Ireland“ allen Hardcore-Spielern zu empfehlen, die einmal eine andere Total Conversion als „Ballermann Action“ oder „DomRep-All-Incl“ erleben wollen, die allerdings auch nichts gegen ein wenig Campen haben sollten. Das Spiel macht einen Heidenspaß, und Bela und ich haben täglich neue Seiten dieser faszinierenden Total Conversion kennen gelernt. Nachteilig sind lediglich die hohen Einstiegs- und Unterhaltskosten. Man braucht schon eine ordentliche Hardware, um insbesondere mit den Wettereffekten klar zu kommen, und die kann teuer kommen. Um die Conversion am Laufen zu halten, sind zusätzliche Finanzspritzen in nicht unerheblichem Maße nötig. Doch die Hardware ist ebenfalls nutzbar für viele andere Total Conversions wie „Nordkap Masters“, „Camel Trophy“ und „Kayaking the Dordogne“, so dass sich zumindest diese Kosten relativieren.

Verfügbarkeit

Dieses Spiel gibt es zu sehr hohen Preisen im echten Leben. Außerdem ist es kein Spiel. 🙂

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