Spaceward HO!

Retroalarm! Alle, die beim Anblick von höchstens 256 Farben auf dem Bildschirm allergische Flecken kriegen, können ihre Aufmerksamkeit schon jetzt einem anderen Artikel widmen. Alle anderen freuen sich, ein lange überfälliges Review zu einem echten Urgestein des Mac-Gaming lesen zu können, aber auch die sollen gewarnt sein: „Ho!“ ist ein Spiel, dass dem Credo „weniger ist mehr“ mit erstaunlicher Konsequenz folgt.

„Ho!“ kommt aus dem Hause Delta-Tao, einer Firma, die den meisten Mac-Usern durch „Eric’s Ulimate Solitaire“ bekannt sein sollte, da dieses Spiel in einer Demoversion den Betriebsystemen vor Mac OS X beilag. Die erste Version von „Ho!“ erschien bereits 1991 und ist, neben dem Macintosh, seitdem auch in Versionen für Amiga und Windows veröffentlicht worden. Inzwischen gab es für die Mac-Version mehrere Updates, nicht umsonst ist „Ho!“ bereits bei Versionsnummer 5 angelangt. Trotzdem sieht „Ho!“ – auch in der nunmehr aktuellsten Version – immer noch aus, als wären wir irgendwo am Anfang bis Mitte der Neunziger.

Uns lag zum Testen Version 4.0.1 vor, die von ASH auch noch immer verkauft wird – die Version 5 gibt es lediglich im Internet. Geliefert wird eine etwas spartanisch anmutende, wenngleich flott geschriebene Bedienungsanleitung, ein selten cooler „Ho!“-Aufkleber und zwei Disketten (!). Auf der einen befindet sich das Programm, auf der anderen ein Erweiterungspaket, dass „Ho!“ um farbige Grafiken bereichert.

Auf besonders performance-schwachen Rechnern kann auf die Installation des Datensatzes mit den farbigen Grafiken verzichtet werden, allerdings muß man dann mit pixeliger Schwarz-Weiß Grafik leben. Das älteste Gerät, auf dem ich „Ho!“ testen konnte, war ein Macintosh LC II, und selbst auf dem ist das Spiel mit farbigen Grafiken noch angenehm flott.

Die Installation ist denkbar einfach: Diskette ins Laufwerk schieben, das Proggi in irgendeinen Ordner ziehen, eine Minute warten bis die Datei kopiert ist und schon kann’s losgehen. Wer farbige Bilder sehen will, wiederholt das Ganze mit dem Datensatz auf der zweiten Diskette, diesmal ist jedoch darauf zu achten, dass der Datensatz in den selben Ordner kopiert wird wie das Programm – eine Aufgabe, die eigentlich zu bewältigen sein sollte.

Startet man das Spiel, wird zunächst gefragt, ob man ein neues Spiel beginnen oder ob man ein altes Spiel fortsetzen möchte. Als „Newbie“ beginnt man natürlich ein komplett neues Spiel. So ein Spiel stellt sich als ein aus einer Datei bestehender Datensatz dar, der an jeder beliebigen Stelle eures „Apple-Universums“ gesichert werden darf. Der Clou dabei: Auf diese Datei können bis zu zwanzig Rechner gleichzeitig zugreifen. Habt ihr beispielsweise einen Ordner per File-Sharing im Netzwerk freigegeben, könnt ihr dort euer Spiel sichern, so dass andere Leute von ihren Rechnern aus in eurer „Ho!“-Partie mitwirken können. Theoretisch ist es sogar möglich, die Spieldatei auf eine Diskette zu sichern oder die Datei per Mail zu verschicken. Einer Partie „Fern-Ho!“ steht also nichts im Wege, vorausgesetzt, man hat genügend Zeit.

Bevor die Datei erzeugt wird, müssen jedoch zunächst die Spielbedingungen definiert werden. Zu diesen Bedingungen gehören unter anderem die Intelligenz und die Anzahl der Computergegner, und die Entscheidung darüber, wie die Planeten in eurer Spiel-Galaxie verteilt werden sollen. Insbesondere letzte Entscheidung hat einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf den Spielverlauf. Da „Ho!“ ein rundenbasiertes Strategiespiel ist, macht es eventuell auch Sinn, die maximale Dauer eines Zuges zu bestimmen, wenn man mit mehreren Spielern spielt.

„Ho!“ ist ein grundsätzlich kriegerisches Spiel. Es geht um die Eroberung einer Galaxie; sobald eine Allianz oder ein Spieler sämtliche Planeten der Galaxie erforscht und alle Gegner beseitigt hat, hat sie/er die Partie gewonnen.

Am Anfang steht man mit einem – je nach Schwierigkeitsgrad variierenden – Startkapital und einer begrenzten Menge Metall da. Man hat einen Planeten besiedelt und die aus zwei Schiffen – ein Forschungsschiff und ein Siedlertransporter – bestehende Flotte wartet darauf, von euch in die Weiten des Alls zu fremden Planeten geschickt zu werden. Im Prinzip bestimmen zwei Variablen – und euer Umgang mit diesen – euer Schicksal: Metall und Geld. Diese beiden Variablen erfahren im Laufe einer Partie eine gegenläufige Entwicklung: Zunächst habt Ihr Metall ohne Ende, aber kein Geld, später habt Ihr fett Knete, aber kein Metall mehr.

Geld wird durch die Bewohner eurer Planeten erzeugt. Besiedelt man einen Planeten, muss zunächst Jahrzehnte in Terraforming investiert werden, um den Planeten für die eigene Rasse bewohnbar zu machen. Ist das Terraforming beendet, setzt meist ein Babyboom ein, und dann beginnt der Planet so langsam, profitabel zu werden. Wie profitabel ein Planet wird, hängt davon ab, wie gut er „terraformt“ werden konnte. So gibt es Planeten, die für eure Rasse so ungünstige Umweltbedingungen bieten, dass sie für euch nur so lange interessant sind, bis ihr ihre Metallvorräte komplett ausgebeutet habt. Das einkommende Geld investiert Ihr in Schiffsbau, Forschung und Terraforming.

Die zweite Variable, das Metall, ist eigentlich keine Variable sondern eine feste Größe. Die Menge des in einer Partie vorkommenden Metalls wird zu Anfang des Spiels ungleichmäßig vom Computer auf die Planeten verteilt. Also müssen sich alle Mitspieler die Metallvorräte teilen. Besiedelt man einen Planeten, werden die Metallvorräte automatisch von den Bewohnern geschürft. Metall ist eigentlich nur für eine Sache gut, dabei allerdings von absoluter Wichtigkeit: den Bau von Raumschiffen. Aus der Tatsache, dass die Metallvorräte begrenzt sind, ergibt sich dann der Spielverlauf: Ihr besiedelt mit den ersten, unglaublich großen und schwerfälligen Schiffen die Planeten, beutet sie aus, investiert einkommendes Geld in Forschung und Weiterentwicklung eurer Technik, baut neue, bessere – und vor allen Dingen kleinere, dadurch im Bau weniger Metall verbrauchende, aber auch wahnsinnig teure – Raumschiffe und so weiter und so fort.

Irgendwann werdet ihr auf von einem Mitspieler besiedelte Planeten treffen. Dann gibt’s automatisch Krieg, egal ob ihr wollt oder nicht – es sei denn, ihr habt bereits vorher eine Allianz mit diesem Spieler geschlossen. Übrigens können gegnerische Flotten nur auf Planeten aufeinander treffen, im offenen Raum ist kein Kampf möglich. Im Gefecht ist in erster Linie entscheidend, wer die schnelleren und besser bewaffneten Schiffe hat – hier zahlen sich die Jahre der intensiven Forschung und Investitionen in den Bau neuer Raumschiffe aus. In zweiter Linie ist die Anzahl der Schiffe entscheidend. Werdet ihr auf einem Eurer Planeten angegriffen und der Gegner verliert, regnet das Metall der zerstörten Raumschiffe auf euren Planeten herab und ihr habt großen Grund zur Freude. Leider funktioniert das natürlich auch dann, wenn Ihr einen Gegner angreift und verliert…

Wie schon bereits angedeutet, ist „Ho!“ ein Spiel, das sich durch und durch nur auf das Wesentliche konzentriert. Grafisch ist „Ho!“ so unglaublich reduziert, dass man dem Hersteller Dank zollen muss, das Spiel zum ersten überhaupt noch zu verkaufen – und das, im Fall der 5er-Version, zu dreisten Preisen – und zum zweiten die Entwicklung des Spiels noch voranzutreiben. Erstaunlich in dem Zusammenhang auch, dass im Zeitalter der fetten Grafikkarten scheinbar tatsächlich noch jemand bereit ist, Geld für ein so primitiv ausschauendes Spiel auszugeben. Jedoch findet man sich schnell in der Benutzeroberfläche zurecht, die sich ziemlich intuitiv bedienen lässt. Eure Raumschiffe schickt ihr via Drag & Drop von einem Planeten zum nächsten – ansonsten müsst ihr steuerungstechnisch nicht viel mehr machen, außer hier und da ein paar Schieberegler bedienen und einige Bestätigungsklicks ausführen. Bei aller Reduziertheit geht der Grafik des Spiels dennoch ein gewisser Humor nicht ab. Am bezeichnendsten sind die Icons besiedelter Planeten: Eure Planeten sind durch einen feschen Cowboyhut gekennzeichnet, die Planeten der Gegner tragen Masken oder auffällige Perücken… Überhaupt sind die Icons des Spiels die – wenn man es denn so nennen will – grafischen Highlights. Nett sind auch einige Schiffstypen anzusehen, besonders das Haifisch-Design der Kriegsschiffe mittleren Kalibers weiß zu begeistern. Interessant sind auch die Namen der Planeten: Tweety, Gollum, Bambi… Alle sind sie da, alle wollen sie besiedelt werden. Wer also schon immer mal das Bedürfnis hatte, sich auf Gollum niederzulassen, hat in „Ho!“ die Gelegenheit dazu.

Im Bereich „Sounds“ bietet „Ho!“ – außer ein paar Sprachsamples, Schüssen und Explosionen – nichts, was einem vom Hocker hauen würde. Dennoch sind die paar Soundsamples, die es zu hören gibt, mit einer Priese Humor durchsetzt, das Cowboythema bricht hier wieder durch. Musik gibt’s keine. Ich habe sie allerdings auch nicht vermisst.

Spieltechnisch ist „Ho!“ mindestens ebenso puristisch. Das gesamte Spiel beschränkt sich auf den Makrokosmos eures Universums. So habt ihr – abgesehen von dem Kapital, dasihr einem Planeten für’s Terraforming zur Verfügung stellt – keinerlei Möglichkeiten, die Entwicklung der Bevölkerung zu beeinflussen. Einen Handel- oder Wirtschaftsteil sucht man in „Ho!“ ebenso vergebens, der Diplomatieteil ist rudimentär.

Dennoch macht mir „Ho!“ Spaß. Großen sogar. Und ich schätze, das liegt an eben diesem absolut „straight“ durchgezogenen Konzept, alles außen vor zu lassen, was vom eigentlichen Ziel des Spiels (die Galaxis erobern) ablenkt. Eine Partie „Ho!“ ist somit auch – im Vergleich mit der Konkurrenz – recht schnell erledigt, kalkuliert durchschnittlich 36 Stunden für eine große Galaxie ein.

Leider sind noch ein paar andere, eher technische, negative Aspekte zu erwähnen: Die Bedienungsanleitung ist zwar ganz nett geschrieben, allerdings scheint auch sie auf das absolut wesentliche reduziert zu sein. Das Inhaltsverzeichnis verweist auf 20 Seiten, die Anleitung hat jedoch nur 19… Und was zum Beispiel der Schieberegler neben der Abbildung des Planeten im Hauptfenster bewirkt, habe ich – trotz der ansonsten recht intuitiven Benutzeroberfläche – immer noch nicht kapiert, leider wird es auch in der Anleitung nicht erläutert. Schwierigkeiten hatte ich beim Starten eines Spiels mit mehreren menschlichen Mitspielern. Bevor es ins Spiel geht, besteht die Möglichkeit, zu warten, bis sich alle Spieler im Chat-Fenster des Spiels gemeldet haben. Gibt man dann den Befehl, das Spiel zu starten, passiert leider nichts… Einfacher ist es, wenn sich die Mitspieler in ein bereits laufendes Spiel einloggen wollen. Wirklich bedauernswert ist, dass es nicht möglich ist, die zahlreichen von Delta-Tao zum Download bereitgestellten Updates mit der lokalisierten Version zu benutzen.

Fazit
„Ho!“ ist ein kleines, feines, schnelles und recht aggressiv angelegtes Strategiespiel, das alle begeistern wird, denen die Konkurrenz zu träge und/oder zu ernsthaft ist. Wer keine Lust hat, sich im – bei anderen Strategicals häufig überbordenden – Mikrokosmos des z. B. Städte- oder Wirtschaftsmanagements zu verlieren, wird mit „Ho!“ seine wahre Freude haben. Wer sich allerdings bislang für diese Konkurrenz begeistern konnte, läuft Gefahr, von „Ho!“’s mangelhafter Komplexität enttäuscht zu werden. Gut, dass man vor dem Kauf die Demo runterladen kann. Grafik-Fetischisten sollten um „Ho!“ generell einen ganz großen Bogen machen.

Screenshots (klicken für mehr)

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