Nachruf auf Michael Jackson

Scheinbar hat der überraschende Tod von Michael Joe Jackson nichts mit dem Thema dieser Seite zu tun, denn schließlich widmen wir bei macinplay uns der „kunterbunten Apfelwelt des Entertainments“. Michael Jackson war zwar Entertainer, hatte jedoch nichts mit Apple zu tun. Wie also bekommen wir den Bogen von der kunterbunten Apfelwelt zu Jacko? Forscht einmal selber nach: Wer von Euch hat kein einziges Stück von Michael Jackson auf seinem iPod oder seinem iPhone, wer von Euch hat kein einziges Jacko-Stück in der eigenen iTunes-Bibliothek? Und selbst diejenigen von Euch, die ausschließlich Rap oder Hip-Hop hören, haben irgendwo ein eingängiges Jacko-Sample in irgendeinem coolen Rap-Track, diejenigen von Euch, die ausschließlich Heavy Metal hören, finden irgendwo ein Jacko-„Oooooh“ im Background irgendeines sinistren Gitarrenschrammelsongs.

Die Tatsache, dass aktuell die Amazon-Top-10 komplett (!) durch Michael Jacksons Alben belegt werden, und sich auch bei iTunes immerhin acht Jackson-Alben in den Top 10 befinden, zeugt davon, wie schwer der Verlust wiegt.

Michael Jackson war „the King of Pop“, wobei das „the“ wohl für alle Zeiten in Fettkursiv gedruckt werden muss: Vor ihm war niemals jemand so sehr King of Pop, wie er es war, und es ist unwahrscheinlich, dass irgendwann in der Zukunft jemand seine Präsenz vom Thron zu stürzen vermag. Die Könige aller anderen Musikrichtungen verneigten sich schon zu Lebzeiten vor Jacksons Genie, das seine volle Entfaltung erst auf der Bühne fand. Seine Leistung ist immens: Nicht nur hat er mit „Billy Jean“ den perfekten Popsong hingelegt, mit „Thriller“ das am häufigsten verkaufte Album aller Zeiten produziert, mit dessen Titelsong „Thriller“ zu einer Zeit, als Musikvideos noch vollkommen unüblich waren, eines der bis heute eindrucksvollsten Musikvideos überhaupt veröffentlicht, nein, er hat mit seinen Bühnenshows Spektakel geboten, die kaum mehr getoppt werden können. Nicht nur, weil seine Konzerte in den 1980er und 1990er Jahren selbst für heutige Verhältnisse unfassbar teuer produziert worden waren, sondern vor allem, weil einer fehlt: Michael Jackson. Die Art, mit der er sich bewegte, sein Tanzstil, sein Moonwalk – das kann der Rest bestenfalls nachahmen, aber nie auch nur annähernd erreichen. Michael Jackson hat auf der Bühne nicht bloß Bühnenstandards revolutioniert. Er hat vollkommen neue Standards des Pops definiert. Den Titel „King of Pop“ trug er mit Recht.

Doch sein Genie war auch gleichzeitig seine Tragödie: Schon im Alter von fünf Jahren wurde er im Rahmen eines Talentwettbewerbs mit vier seiner Brüder auf eine New Yorker Bühne geschickt, um als Kinderband unter dem Namen „Jackson Five“ Karriere zu machen. Er wurde schon sehr jung als jüngstes Mitglied der Jackson Five unermesslich reich, doch zu dem Preis, dass er seine Kindheit verlor. Während unsereins mit Kumpels im Sandkasten spielen, uns prügeln und vertragen, das Leben langsam kennenlernen konnte, in die Schule gehen, Freunde machen und verlieren, uns dem anderen Geschlecht nähern, die erste Zigarette rauchen, das Rauchen wieder aufgeben, uns betrinken und das Trinken wieder aufgeben, gute und schlechte Erfahrungen machen, eine Ausbildung, ein Studium beginnen und abschließen konnte, wuchs Michael Jackson in einer vollkommen synthetischen Welt heran – abgekapselt von allem Normalen, umgeben von Günstlingen und Höflingen, Managern und Privatärzten, -lehrern, -fahrern, -sekretären, -etc. Ist es da ein Wunder, dass er, der niemals das echte Leben erfahren konnte, einen ziemlichen Knall bekam? Dass er sich über gefühlte 1000 plastochirurgische Eingriffe zu einem ewig jungen Peter Pan machte? Dass er auf seiner skurrilen Neverland-Ranch die eigene Kindheit nachinszenierte? Dass er sich deshalb am liebsten mit Kindern umgab? Dass er deshalb im bigotten Amerika schnell in den Verdacht geriet, ein Pädophiler zu sein?

Sein Absturz verlief so brutal und schnell, wie zuvor sein Aufstieg in den Himmel des Pop-Olymps: kometenhaft. Zuletzt wurde Michael Jackson nicht mehr mit seinem Genie, sondern nur noch mit Skandalen in Verbindung gebracht. Er war pleite, konnte die Neverland-Ranch nicht mehr halten. Vermutlich trieben ihn Geldsorgen zu der Ankündigung, noch einmal ab diesem Sommer 50 Konzerte abhalten zu wollen. Und vermutlich sorgten der Druck und die Erwartung, die damit verbunden waren, mittelbar oder unmittelbar für seinen Tod.

Michael Joe Jackson, danke für alles. Finde Frieden.